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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht
Autoren: Melina Marchetta
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Minengefängnissen von Sorel. Er seufzte und wandte sich der Landschaft zu. Das Tiefland begann wieder fruchtbar auszusehen, die Äcker lagen frisch gepflügt vor ihnen.
    „Ich bin an erster Stelle meiner Königin und meinem Land verpflichtet“, sagte er nach einer Weile, „aber ich bin auch Finnikins Vater. Ihr müsst entschuldigen, dass ich so frei spreche, aber ich werde jedem das Herz herausreißen, der meinem Sohn irgendein Leid zufügt. Und ob Ihr nun die Königin seid oder Evanjalin, Ihr habt die Macht, ihm wehzutun. Verzeiht, dass ich so empfinde.“
    „Und Ihr denkt, ich habe diese Macht ausgenutzt?“
    Er antwortete nicht und sie lief weiter.
    „Wenn die Zeit kommt, jemandem das Herz herauszureißen, der Finnikin ein Leid zugefügt hat, Hauptmann Trevanion“, sagte sie erbittert, „dann werde ich dafür kämpfen, dass Ihr in der ersten Reihe steht.“
    Nach einer Weile lächelte er. „Würdet Ihr jetzt bitte aufsitzen, meine Königin?“
    „Nein“, erwiderte sie und lächelte ebenfalls.
    Sie kamen am Dorf Sennington vorbei und die Bauern rannten zur Straße, um sie zu grüßen.
    „Ist Lady Beatriss zu Hause, Tarah?“, fragte Isaboe eine der Bauersfrauen, die vor Freude errötete, weil die Königin sie bei ihrem Namen genannt hatte.
    „Sie kommt sicher bald zurück, meine Königin. Sie ist mit Vestie unten am Fluss.“
    Isaboe lächelte dankbar und nahm die kleinen Geschenke entgegen, die ihr die Kinder gebracht hatten.
    „Könntet Ihr Lady Beatriss aufspüren, Hauptmann Trevanion?“, fragte sie, ohne den Blick von den Dorfbewohnern zu wenden. „Ich würde mich hier gern eine Weile ausruhen, bevor ich zur Priesterin gehe.“
    Trevanion wusste genau, wo er Beatriss finden würde. Er hatte oft beobachtet, wie sie hinter dem Gutshaus verschwunden und hinunter zum Fluss gelaufen war. Ein Teil von ihm wollte Abstand halten und lieber nach ihr rufen, als ihr beim Baum Gesellschaft zu leisten, doch die Sehnsucht in seinem Inneren war zu stark. Er konnte nicht anders, als ihr nachzugehen. Dennoch blieb er auf halbem Wege stehen. Er wusste, was vor ihm lag. Ein Grab. Das Grab ihres gemeinsamen Kindes.
    Wie meist hatte Beatriss ihre Tochter bei sich. Er fragte sich, wie sie es fertigbrachte, jemanden zu lieben, der sie stets daran erinnerte, dass der Thronräuber und seine Männer ihr Gewalt angetan hatten.
    „Die Königin möchte Euch sehen, Lady Beatriss!“, rief er vom Hang herab.
    Sie nickte, als wäre es die normalste Sache der Welt, dass er dort stand. Dann lief sie zu ihm. „Kehrt sie in den Palast zurück?“
    „Ja.“
    Das Kind stand noch am Grab und sah ihn an und er starrte zurück auf das Mädchen, das ihm wie eine Miniaturausgabe von Beatriss vorkam. Doch da wandte es sich wieder den Pflanzensamen zu, mit denen es zuvor gespielt hatte.
    „Euer Schweigen macht alles nur noch schwieriger, Trevanion“, sagte Beatriss leise. „Wir können nicht einfach so tun, als hätten wir uns nichts zu sagen, deshalb werde ich jetzt sprechen. Ich kann nicht wieder der Mensch werden, der ich einmal war, oder mir zurückwünschen, was ich früher einmal empfunden habe. Der Gedanke, dass mich ein Mann berührt, irgendein Man n …“ Sie schluckte, unfähig, den Satz zu beenden. Er nickte nur und unterdrückte etwas in seinem Inneren, das sich schmerzhaft in seinem ganzen Körper ausbreitete. Er wandte sich um und wollte davonlaufen. Er fühlte sich, als wäre etwas in ihm zerborsten.
    Ihre Stimme hielt ihn zurück. „Ich wache jeden Morgen mit Eurem Namen auf den Lippen auf. Er ist wie ein Gebet der Hoffnung. Mehr kann ich Euch im Moment nicht bieten.“
    Er zögerte und erinnerte sich an etwas, was Finnikin während der Reise zu ihm gesagt hatte: Selbst in den dunkelsten Zeiten überlebten Reste des Guten. Es musste nur jemand diese Reste bewahren.
    „Was Ihr jetzt bietet, Lady Beatriss, ist mehr als genug für mich“, sagte er. „Ich werde warten.“
    Sie seufzte und schüttelte den Kopf. „Wie lange wollt Ihr warten, Trevanion, ein Mann wie Ihr?“
    „Ein Mann wie ich wartet so lange, wie es nötig ist.“
    Sie standen nah beieinander und sahen dem Kind zu, das nun seine Samen um das Grab herum verstreute und dabei eine liebliche Melodie summte. Als es die kleine Schale mit den Samen fallen ließ, lief Trevanion zu ihm. Und zum ersten Mal konnte er die Worte lesen, die auf dem Grabstein geschrieben standen: Evanjalin. Geliebtes Kind von Trevanion und Beatriss.
    Er hob die Schale auf und legte
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