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Winterkrieger

Winterkrieger

Titel: Winterkrieger
Autoren: David Gemmell
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für eine Umarmung zu bezahlen, von ihr aus herzlich gern. Er hatte zwei Stunden lang unruhig geschlafen und sie dabei fest an sich gedrückt. Dann hatte er sich angezogen und war zum Fenster gegangen. Dort stand Bison jetzt schon seit einer Weile im Lampenschein, ein großer Mann mit breiten, hängenden Schultern und langen, kräftigen Armen. Müßig zupfte er an dem weißen, walroßartigen Schnurrbart und starrte auf den nachtdunklen Platz hinaus.
    »Komm wieder ins Bett, Liebling«, sagte sie. »Lass Palima ihre magischen Kräfte einsetzen.«
    »Nicht heute«, widersprach er.
    »Was ist mit dir?« fragte sie. »Palima kannst du es doch sagen.«
    Er drehte sich zu ihr um. »Für wie alt hältst du mich?« fragte er plötzlich.
    Fünfundsechzig, mindestens, dachte sie mit einem Blick auf seinen kahlen Schädel und den weißen Schnurrbart. »Vielleicht vierzig«, antwortete sie.
    Er schien mit der Antwort zufrieden, und sie sah, wie er sich entspannte. »Ich bin älter, aber ich fühle mich nicht so. Sie schicken mich nach Hause«, sagte er. »Alle älteren gehen nach Hause.«
    »Willst du denn nicht nach Hause?«
    »Ich gehörte zu den ersten, die sich damals dem Weißen Wolf anschlossen«, sagte er. »Damals, als Drenan von allen Seiten belagert und die Armee des Königs fast aufgerieben war. Wie haben sie alle besiegt weißt du.
    Einen nach dem anderen. Als ich ein Kind war, wurde mein Land aus weiter Ferne regiert. Wir waren einfache Bauern. Aber wir haben die Welt verändert. Das Reich des Königs erstreckt sich …« Er schien einen Augenblick lang mit der Mathematik zu kämpfen,»… über Tausende von Kilometern«, schloss er etwas lahm.
    »Er ist der größte König, den es je gegeben hat«, sagte sie leise, in der Hoffnung, dass er das hören wollte.
    »Sein Vater war größer«, erwiderte Bison. »Er konnte auf nichts aufbauen. Ich diente ihm dreiundzwanzig Jahre lang. Dann dem Knabenkönig noch weitere zwanzig Jahre. Ich habe in sechsundzwanzig größeren Schlachten gekämpft. Sechsundzwanzig. Was sagst du dazu?«
    »Das sind wirklich viele Schlachten«, gab sie zu. Sie wusste nicht, wohin diese Unterhaltung führte. »Komm wieder ins Bett.«
    »Wirklich viele Schlachten, das stimmt. Ich bin elfmal verwundet worden. Und jetzt wollen sie mich nicht mehr haben. Achthundert von uns. Dankeschön und Auf Wiedersehen. Hier hast du einen Beutel mit Gold. Geh nach Hause. Und wo ist Zuhause, he?« Mit einem Seufzer ging er zum Bett, das knarrte, als sein Gewicht darauf sank. »Ich weiß nicht, was ich tun soll, Palima.«
    »Du bist ein starker Mann. Du kannst tun, was du willst. Kannst gehen, wohin du willst.«
    »Aber ich will in der Armee bleiben. Ich bin ein Mann der vordersten Front. Das bin ich. Und das will ich bleiben.«
    Sie setzte sich auf und nahm sein Gesicht in ihre Hände. »Manchmal – meistens – bekommen wir nicht was wir wollen. Wir bekommen sogar nur selten das, was wir verdienen. Wir bekommen, was wir bekommen. Mehr nicht Gestern ist vorbei, Bison. Es kommt nicht wieder. Das Morgen ist noch nicht. Was wir haben, ist das Jetzt.
    Und weißt du, was wirklich ist?« Sie nahm seine Hand und führte sie an ihre nackte Brust, drückte seine Finger auf ihr Fleisch. »Das ist wirklich, Bison. Wir sind wirklich. In diesem Augenblick sind wir alles, was es gibt.«
    Seine Hand fiel herab, dann beugte er sich hinunter und küsste sie auf die Wange. Das hatte er noch nie zuvor getan. Tatsächlich konnte sie sich überhaupt nicht daran erinnern, dass ihr ein Mann die Wange geküsst hatte. Dann stand er auf. »Ich gehe lieber zurück«, sagte er.
    »Warum bleibst du nicht? Ich kenne dich, Bison. Du würdest dich hinterher besser fühlen. Das tust du immer.«
    »Ja, das stimmt. Du bist die beste, und das weißt du auch. Und ich spreche aus lebenslanger Erfahrung, weil ich immer habe dafür bezahlen müssen. Aber ich muss gehen. Ich werde unter Anklage gestellt. Die Wache sucht wahrscheinlich schon nach mir.«
    »Was hast du getan?«
    »Die Geduld verloren. Ein paar Soldaten verhauen.«
    »Verhauen?«
    »Na ja, vielleicht ein bisschen mehr. Einer hat mich ausgelacht Ventrischer Abschaum! Er sagte, die Armee wäre besser dran ohne die Graubärte. Ich hob ihn hoch und warf ihn wie einen Speer weg. Es war wirklich spaßig. Aber er landete auf einem Tisch und zertrümmerte ihn mit seinem Kopf. Das hat die Drenaisoldaten aufgebracht die dort aßen. Also habe ich sie alle ein bisschen vermöbelt.«
    »Wie viele waren
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