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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don
Autoren: Tage der Toten
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keinen
Ärger, oder?«
    »Ein 85er Grand American«, sagt
der Mann und schiebt sich die Scheine in die Tasche. »Lindgrün.«
    »Kennzeichen?«
    »4ADM045.«
    Scachi nickt. »Ich sag Ihnen mal,
was der Mann in etwa gesagt hat: Wenn jemand fragt, war ich nie hier, haben Sie
mich nie gesehen. Und jetzt kommt der Unterschied: Wenn Sie mich auch an den
Meistbietenden verpetzen ...« Er zieht einen 38er Revolver. »... dann komme
ich zurück, schiebe Ihnen das Ding in den Arsch und schieße das Magazin leer.
Haben wir uns verstanden?«
    »Ja.«
    »Gut«, sagt Scachi und steckt den Revolver weg. Geht zu
seinem Auto und gibt Gas.
     
    Callan und Nora
besuchen eine Kirche.
    Auf einer ihrer Nachmittagstouren
biegen sie am Kueyaay-Reservat vom Highway 79 ab und fahren zur alten
Missionsstation Santa Ysabel. Eine kleine Kirche, eher eine Kapelle, gebaut im
klassischen kalifornischen Missionsstil.
    »Willst du rein?«, fragt Callan.
    »Ja, gern.«
    Vor einer kleinen abstrakten
Statue neben dem Eingang bleiben sie stehen. Sie heißt Der Engel der
verlorenen Glocken, und ein Schild erklärt, dass die Missionsglocken in den
zwanziger Jahren gestohlen wurden und die Gemeindemitglieder seitdem für ihre
Rückkehr beten, damit ihre Kirche wieder eine Stimme bekommt.
    Jemand hat die verdammten Glocken
geklaut?, denkt Callan. Typisch.
Die schrecken vor nichts zurück. Dann gehen sie hinein.
    Die weißgekalkten Lehmmauern
bilden einen starken Kontrast zu dem dunklen, handbehauenen Dachgebälk. Eine
nicht ganz stilgerechte Täfelung aus billigem Kiefernholz säumt die Wände bis
zu den bunten Glasfenstern mit Heiligendarstellungen und Kreuzwegstationen.
Die Eichenbänke sehen neu aus, der Altar ist im mexikanischen Stil dekoriert,
mit bunt bemalten Madonnen und Heiligen. Nora wird von bittersüßen Erinnerungen
erfüllt - seit der Trauerfeier für Juan hat sie keine Kirche mehr betreten.
    Zusammen bleiben sie vor dem Altar
stehen.
    »Ich möchte eine Kerze anzünden«,
sagt sie.
    Er kommt mit, und sie knien
gemeinsam nieder. Nora stellt ihre Kerze zu den anderen, senkt den Kopf und
betet still.
    Callan wartet
solange, studiert das Wandbild hinter dem Altar - der gekreuzigte Christus,
flankiert von den zwei Missetätern.
    Es dauert lange, bis Nora
aufsteht.
    Als sie draußen sind, sagt sie:
»Jetzt ist mir wohler.«
    »Du hast ja auch lange gebetet.«
    Sie erzählt ihm von Juan Parada. Über ihre Freundschaft und Liebe zu ihm. Dass der Mord an Juan sie
dazu gebracht hat, Adán Barrera der
Polizei auszuliefern.
    »Ich hasse ihn«, sagt sie. »Er
soll in der Hölle schmoren.«
    Callan sagt
nichts.
    Nachdem sie zehn Minuten gefahren
sind, sagt Nora: »Sean, ich muss hier weg.«
    »Warum?«
    »Ich muss gegen Adán aussagen. Er hat Juan ermordet.«
    Callan versteht.
Es gefällt ihm gar nicht, aber was soll er machen? Trotzdem will er es ihr
auszureden. »Scachi und diese Leute. Ich glaube nicht, dass die deine Aussage
wollen. Ich glaube, die wollen dich beseitigen.«
    »Sean, ich muss es tun.«
    Er nickt. »Ich bringe dich zu
Keller.«
    »Morgen.«
    »Gut. Morgen.«
    In der Nacht liegen sie
nebeneinander im Dunkeln, lauschen auf das Zirpen der Grillen und auf ihren
eigenen Atem. In der Ferne heulen und kläffen die Kojoten, dann ist es wieder
still.
    »Ich war dabei«, sagt Callan in die Stille.
    »Wo?«
    »Als sie Parada umbrachten. Ich gehörte zu dem Kommando.«
    Er spürt, wie ihr Körper neben ihm
erstarrt. Wie ihr Atem stockt. Dann sagt sie: »Um Gottes willen, warum?«
    Er braucht zehn, fünfzehn Minuten,
bis er das erste Wort herausbringt. Er erzählt ihr, wie es anfing, im Liffey
Pub, als er siebzehn war und Eddie Friel erschoss. Und erzählt noch Stunden
weiter, leise murmelnd spricht er in die Wärme ihres Nackens und erzählt ihr
von all den Morden - in New York, Kolumbien, Peru, Honduras, El Salvador,
Mexiko. »Ich wusste nicht, dass er ermordet werden sollte«, sagt er, als er zu
dem Tag am Flughafen von Guadalajara kommt. »Ich hab versucht, es zu
verhindern, aber ich kam zu spät. Er ist in meinen Armen gestorben, Nora. Er
hat gesagt, er vergibt mir.«
    »Aber du vergibst dir nicht.«
    Er schüttelt den Kopf. »Ich kann
mir nichts vergeben. Ich bin schuldig an seinem Tod. An allen Morden.«
    Und ist überrascht, als sie den
Arm um ihn legt und ihn fest an sich zieht. Seine Tränen machen ihren Nacken
feucht.
    Nach einem kurzen Zögern beginnt
sie: »Als ich vierzehn war...«
    Sie erzählt ihm von all den
Männern. Von den
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