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Windbruch

Windbruch

Titel: Windbruch
Autoren: Elke Bergsma
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Sinn.
    Maarten ließ sich Zeit. Bis nach
Pewsum, wo Swaantje wohnte, würde er einige Kilometer zurücklegen müssen, aber
ihn hetzte ja keiner. Und so lief er über die Feldwege, die er noch aus seiner
Kindheit kannte. Hier hatte er schon mit seinen Freunden aus Groß Midlum
gespielt, meistens Cowboy und Indianer. Gleich in der Nähe sah Maarten den
großen, erhabenen Gulfhof von Bauer Langhoff. Hier hatten die Kälberboxen den
Cowboys immer als Gefängniszellen gedient. Außerdem hatte es im Stall einen
kleinen, abschließbaren Holzverschlag gegeben. Der war so eng gewesen, dass
gerade eine Person aufrecht darin stehen konnte. Hier kamen die Schwerverbrecher
rein. Nur seine Schwester Wiebke hatte sich das nicht gefallen lassen, sondern
lautstark gekreischt und um sich geschlagen, wenn jemand versucht hatte, sie da
einzusperren. Sie hatte wohl Platzangst, was die Kinder damals natürlich nicht
wussten. Für sie war Wiebke dann einfach eine Spielverderberin gewesen.
    Der jüngere Sohn der Familie
Langhoff war bis zum Abitur sein bester Freund gewesen, danach hatten sie sich
aus den Augen verloren. Hauke. Was er heute wohl machte?
    Maarten erkannte viele Stellen
wieder, an denen sich kaum etwas verändert hatte. Verträumt ließ er seinen
Blick in die Ferne schweifen, über die endlos weiten Wiesen und Ackerflächen,
bis hin zum weiten Horizont, über dem der blaue Himmel wohl nirgends so hoch
war wie in Ostfriesland. Es war gerade Heuernte, über den von der heißen
Sommersonne ausgedörrten Wiesen hingen mächtige Staubwolken, die hinter den
Traktoren aufstiegen. Maarten genoss es, den Duft des getrockneten Grases tief
in sich einzusaugen. Früher hatte sein Freund Hauke Bauer Langhoff zur
Erntezeit immer Wurstbrote und eine Thermoskanne Kaffee aufs Feld bringen
müssen. An diesen glühendheißen Sommertagen hatte Maarten ihn oft begleitet und
es genossen, barfuß durch das duftende Heu zu laufen oder über die bereits gepressten
Ballen zu springen. Hinterher waren sie dann mit den Fahrrädern an den Kanal
gefahren und hatten sich ein erfrischendes Bad gegönnt.
    In den am Wegesrand
entlanglaufenden Abwassergräben hatten sie als Kinder im Sommer, wenn sie
ausgetrocknet waren, oft inmitten von Rohrkolben gesessen und versucht, diese
zu rauchen. Als Zigarrenersatz. Es grenzte nahezu an ein Wunder, dass das ganze
Gestrüpp dabei nicht einer weitgreifenden Brandrodung zum Opfer gefallen war.
Manchmal war er mit seinen Freunden auch auf die Jagd nach Bisamratten
gegangen. Die armen Tiere, sie hatten sie nicht geschont.
    Eines aber hatte es damals noch
nicht gegeben und Maarten war erstaunt, wie viel sich hier in den letzten
Jahren getan hatte: Windkraftanlagen. Den ganzen Weg entlang standen sie in
kleineren Gruppen, und die Rotorblätter durchschnitten die Luft, mal mehr, mal
weniger schnell. Die schlicht gestalteten modernen Windmühlen mit ihrem hohen
Mast und den drei Rotorblättern sahen nicht besonders beeindruckend aus. Aber
als studierter Aerodynamiker wusste Maarten, wie viel Erfindungsreichtum und
Technik sich in diesen Anlagen verbarg. Er blieb stehen und hörte dem leisen Surren
der modernen Windmühlen für eine Weile zu. Für ostfriesische Verhältnisse gab
es an diesem Tag nicht besonders viel Wind. Stärke vier vielleicht, schätzte
er. Wie viel Strom wohl an einem solchen Tag von einer Mühle erzeugt wurde? Er
nahm sich vor, sich in den kommenden Tagen intensiver mit dieser Technik
auseinanderzusetzen. Vielleicht lohnte es sich ja, mal in das ein oder andere
Projekt mit einzusteigen. Denn wie viele Menschen, die ein wenig oder auch mehr
Geld übrig hatten, hatte auch Maarten in den Zeiten der Finanz- und
Wirtschaftskrise das Vertrauen in herkömmliche und riskante Anlageprodukte
weitgehend verloren und war auf der Suche nach Alternativen. Vielleicht lohnte
sich für ihn ja der Markt der erneuerbaren Energien.
    Als er das kleine Städtchen
Pewsum erreicht hatte, beschloss Maarten, nach so langer Zeit nicht mit leeren
Händen vor seine Schwester zu treten. Und so kaufte er zunächst ein paar
Teestangen ein. Von diesem Blätterteiggebäck hatte Swaantje in einer ihrer
seltenen Mails mal geschwärmt, und ihr Bruder hatte sich gefragt, was an diesen
Teestangen wohl so Besonderes sei. Nun, heute würde er sie mal probieren. Als
er aus der Bäckerei trat, fiel sein Blick auf einen kleinen Blumenladen. Er
trat ein und schaute sich um. Die Auswahl war riesig. Wo sollte er da anfangen?
„Kann ich Ihnen
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