Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Windbruch

Windbruch

Titel: Windbruch
Autoren: Elke Bergsma
Vom Netzwerk:
allesamt aussahen, als
hätten die in ihnen zahlreich aufgestellten Gartenzwerge persönlich Hand
angelegt, entfaltete sich eine wahre Blütenpracht. Nur ein Garten fiel komplett
aus der Reihe, wie Maarten auffiel. Schräg gegenüber, im Dieksweg 16, wo früher
das ältere Ehepaar Harms gewohnt hatte, musste wohl ein Generationswechsel
stattgefunden haben. Wenn ein Garten das Prädikat naturbelassen verdient
hatte, dann sicherlich dieser. Aus einem der Fenster des spitzgiebeligen Hauses
hing zudem eine Flagge mit Atomkraft nein danke . Hier herrschte
Anarchie, das war mal klar, stellte Maarten mit einem Grinsen fest. Mal sehen,
was seine Eltern darüber zu berichten hatten.
    Gerade, als Maarten beschlossen
hatte, nun Vater und Mutter zu begrüßen, hob die Mittagsglocke der
jahrhundertealten Kirche zu einem nahezu ohrenbetäubenden Gebimmel an. Maarten
zwinkerte, die Hand zum Schutz vor der Sonne über die Augen gelegt, zum kleinen
Kirchturm hinauf, der auf dem mächtigen Dach der Kirche etwas verloren aussah.
Auf die Mittagsglocke hatte Groß Midlum lange Jahre verzichten müssen, aber nun
hatte man anscheinend ausreichend Spendengelder zusammenbekommen, um sich eine
neue leisten zu können. Begleitet von dem Gebimmel nahm Maarten den Bügel
seines Rollkoffers in die Hand und öffnete das kleine, grün-weiß gestrichene
Gartentor. Es quietschte. Wie immer. Niemandem war es jemals gelungen, dieses
Quietschen vollständig abzustellen. Und manche Dinge änderten sich anscheinend
auch in Jahrzehnten nicht.
    Vorteil dieses Gartentores war
immer gewesen, dass Familie Sieverts auf einen Wachhund verzichten konnte.
Keiner kam hier unbemerkt hindurch. So auch diesmal. Kaum, dass das Tor Alarm
geschlagen hatte, stand auch schon sein Vater vor ihm, in Flanellhemd und
Arbeitsweste und mit Spaten in der Hand. Die schwieligen Hände voller Erde,
glotzte er seinen Sohn erstaunt an. Dann rammte er den Spaten mit Schwung ins
Blumenbeet und kam langsam auf ihn zu.
    „Moin, mien Jung“, sagte er und
hieb ihm kräftig mit der Hand auf die Schulter, was auf Maartens T-Shirt erdige
Striemen hinterließ.
    „Moin, Vadder“, erwiderte
Maarten, ließ seinen Koffer los und umarmte seinen Vater mit einigen Klopfern
auf den gebeugten Rücken.
    „Warst lang nicht da.“
    „Nun bin ich aber da.“
    „Jo.“
    „Ist Mutter auch da?“
    „Jo. Gibt jetzt Middach.
Kartoffeln und frischen Salat ausm Garten. Hab ich gerade geerntet. Dazu `ne
schöne Scholle. Hab ich geholt, in Greetsiel, am Hafen. Is ganz frisch.“ Er
machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach watt, ich red wieder zuviel. Komm
einfach rein. Siehst ja selbst.“
    Maarten grinste. Ja, für seinen
Vater war das eine richtige Ansprache gewesen. Ein untrügliches Zeichen dafür,
dass er aufgeregt war. Einem plötzlichen Impuls folgend legte er seinem Vater
den Arm um die Schulter. „Es ist schön, wieder mal hier zu sein, Vadder.“
    Doch noch ehe sein Vater etwas
darauf erwidern konnte, stand plötzlich seine Mutter vor ihm und umarmte ihn so
fest, als wolle sie ihn nie wieder loslassen.
    „Da bist du ja, mien Jung. Als
Wiebke sagte, dass du kommst, wollte ich es gar nicht glauben. Aber nun bist du
ja da. Ich freu mich so!“ Als Maarten sah, dass sie sich eine Träne aus den
Augen wischte, bekam er plötzlich ein schlechtes Gewissen. Es musste schwer
sein für seine Mutter, den Sohn nur alle paar Jahre zu sehen und nur ab und zu
mit ihm zu telefonieren. Er nahm sich vor, ihr in den wenigen Tagen, die er
hier war, besonders viel Aufmerksamkeit zu schenken.
    „Hast ja `n ganz schmutziges T-Shirt,
Maarten. Was has`n damit gemacht?“ Frau Sieverts strich mehrmals kräftig mit
der Hand über Maartens Rücken. Ohne Erfolg.
    „Das is von mir“, sagte ihr Mann
und hielt ihr seine Hände hin. „Ging nicht anners, musste den Jung ja
anständich begrüßen.“
    „Na, is ja nich schlimm. Schmeiß
ich gleich inne Wäsche.“ Frau Sieverts strahlte, als hätte Maarten ihr damit
ein ganz besonderes Geschenk gemacht. „Jetzt komm mal essen, mien Jung. Hast ja
bestimmt Hunger. Gibt Kartoffeln und Salat und frische Scholle aus Greetsiel.“
    „Ja, hat Vadder schon gesagt.“
    Maartens Mutter schüttelte den
Kopf. „Was der alles redet in der kurzen Zeit. Na ja. Nu komm mal mit und
erzähl mir alles. Hast ja sicher viel erlebt da hinten in Amerika.“
    Wann hatte er zum letzten Mal
eine so gute Scholle gegessen? Maarten konnte sich nicht erinnern. Zuhause in
New York ganz bestimmt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher