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Windbruch

Windbruch

Titel: Windbruch
Autoren: Elke Bergsma
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nicht. Da aß er sowieso nur unregelmäßig. Eine warme
Mahlzeit bekam er in der Regel nur, wenn er irgendwo zum Geschäftsessen war.
„Es schmeckt ganz wunderbar“, sagte er zu seiner Mutter. Die strahlte über das
ganze Gesicht und tätschelte ihm die Hand. „Iss du nur, mien Jung. Is ja genuch
da. Und bist ja sowieso zu dünn. Kriegst wohl nichts, dahinten in Amerika.
Brauchst mal ne Frau, die für dich kocht.“
    Maarten erwiderte nichts darauf,
sondern widmete sich weiter ausgiebig seinem Festmahl. Das Thema Frau kam mit
Sicherheit in den kommenden Tagen noch öfter auf.
    Als er den letzten Bissen
hinuntergeschluckt hatte, lehnte er sich zurück und rieb sich zufrieden seinen
Bauch. Dabei schaute er sich in der Küche um. Auch hier hatte sich kaum etwas
verändert. Die schlichte Küchenzeile aus hellem Eichenfurnier mit dem
inzwischen fast antiken Gasherd musste um die dreißig Jahre alt sein. An der
Wand stand nach wie vor die weiß lackierte Holzvitrine, ein Geschenk der Großeltern
zur Hochzeit. Im oberen Teil der Vitrine, hinter den Glasscheiben, standen Gläser
und Becher, schön sortiert und aufgereiht neben- und hintereinander. Aber
Maarten wusste, dass es in den Schubladen und hinter den Türen darunter weniger
ordentlich aussah. Da war schon damals alles gelandet, was ansonsten nicht
zuzuordnen war. Es wäre sicherlich interessant mal zu schauen, was sich da im
Laufe der Jahrzehnte so angesammelt hatte.
    Die Sitzecke, in der sie gerade ihr
Mittagessen zu sich nahmen, wurde dominiert von einem knallroten
Ostfriesensofa. Hier durften die Gäste sitzen, so jetzt auch er. Ansonsten
standen um den schweren Eichentisch herum nur ein paar einfache Stühle. An den
Wänden hing alles, was sich eben als Wandschmuck im Laufe der Zeit so
ansammelte: Mehr oder weniger geschmackvoll gerahmte Kopien von Ölgemälden,
Fotos von Kindern und Enkeln, ein fein säuberlich ausgefüllter, inzwischen aber
reichlich vergilbter Geburtstagskalender, kleine Holztafeln mit Sprüchen wie Trautes
Heim, Glück allein sowie ein kleines Regal mit allerhand Nippes. Neu war
einzig eine Magnettafel, an der ein paar Postkarten hingen. Sie waren alle von
ihm, wie Maarten feststellte. Und sofort überkam ihn wieder das schlechte Gewissen.
So viel, wie er in der Welt herumreiste, müssten es eigentlich noch deutlich
mehr sein. Aber meistens vergaß er einfach eine zu schreiben.
    Seine Mutter war seinem Blick
gefolgt. „Die Magnettafel hat Swaantje mir mal geschenkt. Ich hatte ja die
Postkarten immer an die Schränktüren geklebt. Aber so gehen sie nun nicht mehr
kaputt, weil ich ja kein Tesafilm mehr brauche. Es ist lieb von dir, dass du
immer an uns denkst. Wir freuen uns immer, wenn eine Karte kommt, nich, Focko?
Und wir zeigen sie dann auch allen.“
    Maartens Vater nickte, erwiderte
aber nichts. Maarten schluckte. Er musste zukünftig einfach öfter daran denken,
eine Karte zu schreiben, wenn es seinen Eltern so viel Freude machte.

4
    Ihren Mittagsschlaf ließen sich
seine Eltern nicht nehmen. Auch nicht, wenn der verlorene Sohn nach Jahren der
Abwesenheit gerade heimgekehrt war. Und so beschloss Maarten, einen längeren
Spaziergang zu machen und zu schauen, was seine Schwester Swaantje so trieb.
Aber zunächst schälte er sich aus seinen nicht mehr ganz frischen Klamotten,
nahm eine ausgiebige Dusche und zog sich dann eine leichte, helle Sommerhose
an, dazu ein blaues T-Shirt. Als er sich im Spiegel sah, strich er sich unwillkürlich
durch sein volles dunkles Haar. Es konnte mal wieder einen Friseur gebrauchen.
Und müde sah er aus und blass. Keine Spur von Sommerbräune war zu sehen, obwohl
schon August war. Er hatte wohl doch zuviel Zeit im Büro und in Konferenzsälen
verbracht. Um seine blauen Augen herum hatten sich dunkle Ringe gebildet und er
meinte zu sehen, dass auch die Falten auf seiner Stirn tiefer geworden waren.
Hm. In New York hatte er sich in solchen Fällen schon mal in die Hände einer
professionellen Kosmetikerin begeben. Aber das konnte er sich hier in der
Krummhörn schlecht vorstellen. Bestenfalls würde er das ein oder andere
Kopfschütteln ernten. Schlimmstenfalls aber war er am nächsten Tag das Gesprächsthema
in der Nachbarschaft, weil irgendein Bekannter ihn erkannt hatte. Das konnte er
zum einen seinen Eltern nicht antun, und zum anderen wollte er hier nicht als
eitler Gockel verschrien sein. Nicht in Ostfriesland, da war man ganz einfach
kein eitler Gockel. Für so etwas hatten die Ostfriesen keinen
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