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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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mangelndem Know-how, mit kurzfristigen Krediten von Diktatoren aus dem Boden gestampfte Wahnphantasien, die schon wenige Jahre nach der Eröffnung wieder hatten geschlossen werden müssen, weil der industrielle Aufschwung, den sie hatten elektrifizieren sollen, ausblieb, weil die schlecht ausgebildeten Wartungsmannschaften nach Abzug der ausländischen Ingenieure mit den Anlagen überfordert waren, weil sie den Leuten von dem jeweils genehmen Putschisten in der gleichen Art auf den Nacken gesetzt worden waren, in der er ihnen Steuern, Gefängnis und Terror auf den Nacken setzte. Entwicklungshilfe eben. Was davon übrig blieb, wurde zu versandeten Wellenbrechern, die gigantische Schwimmbecken aus den Buchten herausschnitten, Schwimmbecken für Haie. Brauners Gezeitenmaschine war anders. Theoretischer Wirkungsgrad: bis zu 82%. Angeblich. In relativ kleinen Einheiten zu realisieren. Wartungsfrei. Idiotensichere Energie für alle. Sauber, rückstandsfrei, politisch korrekt. Nicht so ein Dreckzeug wie Atomenergie. Nicht so ein Vogel- und Landschaftskiller wie Windräder. Nicht so lächerlich teuer wie Fusion. Nicht so. Sondern einfach gut. Und entwickelt hatte Brauner dieses Wunderding mit einer kleinen interdisziplinären Arbeitsgruppe in seiner eigenen Abteilung bei der Impact, und ganz nebenbei war etwas so unglaubliches herausgekommen wie die Stäbe. Wunderbar. Das Ganze hatte nur einen Haken. Warum kam der Typ zu ihm? Die Impact würde sich an der Gezeitenmaschine dumm und dämlich verdienen. Warum war Brauner auf der Flucht? Um 1700 beschloß Eddie, Brauner zu diesen Themen zu befragen. Er klopfte an die Tür der Gästekajüte und bekam keine Antwort. Er klopfte noch einmal; wieder nichts. Nach dem dritten Mal drückte er die Klinke. Brauner lag auf dem Boden. Seine blaue Zunge war ihm aus dem Mund gequollen, ein wenig verkrustet eingetrockneter Speichel bedeckte seine Lippen. Die Arme hatte er von sich gestreckt, die Handteller zeigten nach oben. Eddie fühlte seinen Puls. Die Haut war kalt. Brauner mußte seit Stunden tot sein.
     
    Zu seiner eigenen Überraschung war Eddie gar nicht einmal so erschrocken. Dieser Tag hatte schon mit einer solchen Menge an Absurditäten aufgewartet, und sein rechter Arm hatte ihm seit der ersten Sichtung des Wasserläufers am Horizont so deutlich klargemacht, daß schlechte Zeiten bevorstanden, daß ihn kaum noch etwas grob erschrecken konnte. Als er vor der Leiche Brauners stand, fühlte er, wie all die Anspannung, die seit seinem Auftauchen in seinem Körper gewesen war, ausfloß. Er nickte zu der Szene. Er nickte die Gästekajüte an, er nickte Brauner an, er nickte das leere Tablettenröhrchen an. Er nickte und nickte. Er ging aufs Klo und kotzte ins Waschbecken. Er setzte sich in dem kleinen Edelstahlkabuff, das er aus Gewohnheit peinlich sauber hielt, auf den Boden. Was war das alles? Heute morgen war er noch ein harmloser, unbelästigter Idiot gewesen, jetzt hetzten ihn alle Furien. Und er war immer noch ein Idiot. Brauner war tot. Tot, tot, tot. Nun gut, das ließ sich nicht ändern. In Ordnung. Er hatte sich zum Sterben Eddies Gästezimmer ausgesucht. Ganz schlecht. Gar nicht gut. Ganz schlechter Stil. Eddie verstand die Aktentaschenarschlöcher nicht. Hatte er nie getan. Aber das setzte nun doch allem die Krone auf. Kommt her, macht die Wundertüte auf, läßt mich hineinsehen und bringt sich um. Eddie fühlte sich, als schwanke die Plattform wie ein Schiff. Er fühlte sich dem nicht gewachsen, was hier passierte. Eddie dachte: Ich muß verdammt noch mal nachdenken. Ich muß nachdenken, was hier geschieht. Was hatte Brauner noch an Deck gesagt? Was hatte er gesagt? »Wir müssen uns beeilen.« Wieso? Eddie kam zu keinem Ende. Er geriet langsam in Panik. Ein leitender Angestellter der Firma, die ihn beschäftigte, lag tot in seiner Gästekajüte, und er konnte das nicht erklären. »Also, das war so: Herr Brauner kam etwa um 1150 bei mir an. Er zeigte mir eine revolutionäre neue Form der Energiegewinnung und tötete sich dann durch Gift.« Eddie konnte sich die Reaktion eines Bullen / Richters / Untersuchungsbeamten auf eine solche Aussage lebhaft vorstellen. Er versuchte sich einzuhämmern, daß sein Leben in der bisherigen Form ein Ende nahm, denn was auch immer von jetzt ab geschehen würde, seinen Job hier war er los. So ein Arschloch, dachte Eddie. Er wollte hinübergehen und Brauner treten. Er ließ es bleiben, als ihm klar wurde, daß der nichts mehr fühlen
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