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Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten

Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten

Titel: Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
Autoren: Dorothy L. Sayers
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ein paar gedämpfte Flüche ließen erahnen, daß da jemand mit ungeübter Hand eine Staffelei aufbaute. Dann wurde die Plane zurückgeschlagen, und Wimseys Stimme verkündete: «Sie dürfen jetzt rauskommen.»
    Sir Maxwell zog sich vorsichtig auf Händen und Knien vom Abgrund zurück, der seinem voreingenommenen Auge mindestens 50 Meter tief vorkam, rollte sich herum und setzte sich auf.
    «O Gott», stöhnte er, indem er sich die Beine rieb. «Womit hab ich das alles nur verdient?»
    «Bedaure, Sir», sagte Wimsey. «Wissen Sie, wenn Sie wirklich tot gewesen wären, hätten Sie nichts davon gemerkt, aber so weit wollte ich nicht gehen. So, wir haben jetzt eineinhalb Stunden Zeit. Ich müßte das Bild malen, aber da dies meine Fähigkeiten übersteigt, schlage ich vor, wir machen ein Picknick. Drüben im anderen Wagen ist was zu essen. Er wird gerade geholt.»
    «Ich könnte was zu trinken brauchen», sagte Sir Maxwell.
    «Sollen Sie haben. Hoppla! Da kommt wer. Dem jagen wir einen Schrecken ein. Schnell wieder unter die Plane, Sir.»
    Von fern drang das Geratter eines landwirtschaftlichen Fahrzeugs an ihr Ohr. Der Polizeichef zog rasch die Plane über sich und erstarrte. Wimsey setzte sich vor die Staffelei und nahm Palette und Pinsel zur Hand.
    Bald tauchte der Wagen über der Brücke auf. Der Fahrer warf in natürlicher Neugier einen Blick zu der Stelle hinüber, wo das Unglück sich ereignet hatte, sah plötzlich die Staffelei, den schwarzen Hut und den auffälligen Mantel, ließ einen Angstschrei ertönen und rammte den Fuß hart aufs Gaspedal. Das Fahrzeug machte einen Satz und raste, nach rechts und links Steine spritzend, in wilder Fahrt davon. Wimsey lachte. Der Polizeipräsident sprang auf, um zu sehen, was los war, und lachte ebenfalls. Ein paar Minuten später kamen auch die übrigen hinzu und konnten vor Lachen kaum die Pakete halten, die sie trugen.
    «Auwei!» rief Dalziel. «War das ein Ding! Das war der junge Jock. Habt ihr den Quiekser gehört? Jetzt ist er ab nach Clauchaneasy und erzählt da den Leuten, daß der Geist vom alten Campbell am Minnoch sitzt und malt.»
    «Hoffentlich kommt der arme Kerl nicht mit seinem Lastwagen zu Schaden», meinte der Staatsanwalt. «Für meinen Geschmack fuhr er sehr unvorsichtig.»
    «Um den machen Sie sich keine Sorgen», antwortete der Polizeipräsident. «Ein Bursche wie der hat neun Leben. Aber ich weiß nicht, wie’s mit Ihnen steht, ich jedenfalls sterbe vor Hunger und Durst. Halb sechs ist schon eine unchristliche Frühstückszeit.»
    Es war ein fröhliches Picknick, wenn auch ein wenig gestört durch die Rückkehr Jocks, der mit einem ganzen Pulk von Freunden wiederkam, um das Phänomen eines Gespenstes am hellichten Tage zu besichtigen.
    «Das artet zu einer öffentlichen Veranstaltung aus», meinte Wimsey.
    Sergeant Dalziel knurrte etwas und machte sich auf, die Zuschauer zu verscheuchen, ohne daß seine kräftigen Kinnbacken, zwischen denen ein ansehnliches Stück Kalbfleischpastete steckte, dabei das Kauen vergaßen. In die Berge zog wieder die gewohnte Ruhe ein.
    Um 11 Uhr 25 erhob sich Wimsey mit Ausdrücken des Bedauerns.
    «Leichenstunde», sagte er. «Dies ist der Augenblick, da Sie, Sir Maxwell, holterdipolter ins Wasser purzeln.»
    «So?» meinte der Polizeipräsident. «Da spiel ich aber nicht mehr mit.»
    «Sie wollen uns ja auch sicher nicht das Picknick verderben. Gut, nehmen wir an, es sei vollbracht. Packt euch, ihr faulen Aristokraten, macht’s euch in eurem Rolls-Royce bequem, dieweil ich auf diesem vermaledeiten Fahrrad keuche und schwitze. Den Morris und die übrigen Sachen nehmen wir besser mit. Es hätte keinen Sinn, sie hierzulassen.»
    Er zog Campbells Mantel aus und vertauschte den schwarzen Hut gegen seine eigene Mütze, dann holte er das Fahrrad aus dem Versteck und lud die Reisetasche auf den Gepäckträger. Mit einer Grimasse setzte er die Sonnenbrille auf, warf das Bein über den Sattel und strampelte eilig davon. Die anderen stiegen gemütlich in die beiden Autos, und die Prozession setzte sich in Richtung Bargrennan in Bewegung.
    Nach neuneinhalb Meilen im Kielwasser des Fahrrads kamen sie nach Barrhill. Kurz vor dem Dorf gab Wimsey das Zeichen zum Anhalten.
    «Passen Sie mal auf», sagte er. «An dieser Stelle muß ich jetzt raten. Ich vermute, daß Ferguson hier den Zug um 12 Uhr 35 kriegen wollte, aber irgendwas ist schiefgegangen. Es ist jetzt 12 Uhr 33, und ich könnte es gerade schaffen. Zum Bahnhof geht’s nur
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