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Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Titel: Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation
Autoren: Juergen Kehrer
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sagen müssen. Dann hätten wir diese Leute vielleicht noch in Deutschland erwischt. Glauben Sie etwa, Sie werden mit denen allein fertig? Hat Ihnen die Lektion in Everskirchen nicht gereicht?«
    »Mein Vertrauen zu Ihnen war gestern auf dem Nullpunkt«, antwortete ich. »Heute ist es übrigens nicht viel größer.«
    »Ich habe Ihnen mehr als einmal den Arsch gerettet«, sagte sie mit leiser, wütender Stimme. »Ich habe geholfen, Ihre Unschuld im Mordfall Berning zu beweisen. Ich habe Sie aus der U-Haft geholt. Ich habe Sie nach Ihrem kleinen Schwächeanfall in Everskirchen in Sicherheit gebracht. Wie viele Beweise brauchen Sie noch, dass ich auf Ihrer Seite stehe?«
    »Um mich geht es doch gar nicht. Ich bin nur eine kleine Nummer, die zufällig in eine Staatsaffäre gestolpert ist. Andere, wie Regina Fuchs, die vor Gericht als Zeugin auftreten könnte, sind viel wichtiger. Und zufälligerweise sind Sie immer dann verhindert, wenn es wirklich brenzlig wird. Warum haben Sie zugesehen, wie auf Fuchs geschossen wurde, als wir auf der Straße standen? Und wo waren Sie gestern Morgen, als uns die Typen durch den Wald gehetzt haben?«
    »Ich lag im Bett.« Die Polizistin warf sich gegen die Rückenlehne ihres Sitzes und schwieg, offensichtlich beleidigt.
    Das Schweigen hielt an, während wir kalten Fisch aßen, es überdauerte den anschließenden Kaffee und konkurrierte mit dem tonlosen, lustigen Zeichentrickfilm, der über die an der Kabinendecke befestigten Monitore flimmerte.
    Ich las gerade den dritten langweiligen Artikel der Bordillustrierten, als Niemeyer sagte: »Sie haben es zwar nicht verdient, aber ich verrate Ihnen trotzdem, dass wir eine gute Chance haben, Felizia Sanddorn zu befreien. Gleich nachdem ich von Ihrem Flug nach Helsinki erfuhr, erinnerte ich mich an eine der Geldspuren, die wir verfolgt haben.«
    Ich ließ die Illustrierte sinken. »Und?«
    »Einer der Männer aus Everskirchen besitzt ein Haus auf Suomenlinna.«
    »Eine Insel?«
    »Nur ein paar Kilometer vor Helsinki.«

    Der Taxifahrer, der uns vom Flughafen ins Stadtzentrum brachte, sah aus, als wäre er einem Kaurismäki-Film entsprungen: groß, grimmiger Blick, unreine Haut und lange, fettige schwarze Haare. Während er mit hundert Stundenkilometern über die Autobahn fuhr, galt seine ganze Konzentration seinem Handy, in das er eine SMS nach der anderen tippte. Ich war froh, als wir bei dem Hotel auf der Lönnrotinkatu ankamen, in dem Niemeyers Verbindungsfrau bei der finnischen Polizei zwei Zimmer für uns gebucht hatte.
    Im Vergleich zu dem im Münsterland war das Klima in Helsinki angenehm mild: kein Schnee und eine Temperatur über dem Gefrierpunkt. Dass sich auf den um fünf Uhr am Nachmittag bereits nächtlich dunklen, von funzeligen Laternen nur unzureichend beleuchteten Straßen trotzdem keine Menschen bewegten, musste andere Gründe haben. Ich tippte darauf, dass es an der depressiven Atmosphäre lag, die nur im kollektiven Winterschlaf zu ertragen war.
    Niemeyer zog sich in ihr Zimmer zurück, um einige Telefongespräche zu führen. Das Haus auf Suomenlinna würde bereits unauffällig überwacht, hatte sie mir erzählt. Allerdings verlangten die finnischen Behörden vor einem Zugriff genauere, durch Dokumente belegte Informationen. Und damit taten sich Niemeyers Vorgesetzte schwer, da sie den Finnen nicht mehr verraten wollten, als unbedingt nötig war.
    Ich legte mich aufs Bett, um ein paar Minuten auszuruhen, und wachte erst wieder auf, als die Polizistin an meine Tür klopfte. »Was halten Sie davon, wenn wir etwas essen gehen?«
    Ich sprang auf und riss die Tür auf. »Heißt das, dass die Finnen nichts unternehmen wollen?«
    Sie lächelte müde. »Vor morgen früh nicht. Dann habe ich eine Besprechung im finnischen Innenministerium. Dickbier hat mir versprochen, dass bis dahin alle relevanten Unterlagen gefaxt werden.«
    »Aber Sie wissen, wo das Haus auf dieser Insel steht.«
    »Nein, weiß ich nicht. Und ich habe hier auch keine Befugnisse. Vor morgen früh passiert nichts, ist das klar, Wilsberg?« Sie schaute mir in die Augen. »Keine Alleingänge mehr.«
    Ich schwieg.
    »Wenn Sie nicht mitkommen wollen, esse ich eben allein.« Sie wandte sich ab und ließ mich stehen. »Nur zu Ihrer Information: Heute Abend fährt kein Schiff mehr nach Suomenlinna.«
    »Warten Sie!«, rief ich ihr nach. »Ich habe es mir anders überlegt.«
    Dem Rat der Frau an der Rezeption folgend, gingen wir ins Zetor an der Mannerheimintie, dem
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