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Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin

Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin

Titel: Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin
Autoren: Juergen Kehrer
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den Ruf der Bank, indem du Geschäfte mit Leuten wie Gottfried Guber machst.«
    »Das geht dich nichts an. Und Sie«, er drohte mir mit dem Finger, »hauen endlich ab! Sonst hole ich die Polizei.«
    »Das ist nicht notwendig, ich gehe freiwillig«, sagte ich. »Ich bitte Sie nur um eines: Rufen Sie, sobald Sie sich beruhigt haben, Ihren Schwager Manfred Schwarzenbacher an! Er möchte Ihnen etwas mitteilen.«
    »Schwarzenbacher?«, fragte Gessner irritiert. »Was hat Schwarzenbacher mit der Angelegenheit zu tun?«
    »Fragen Sie ihn!« Ich nickte ihm zu und ging.
    Ich wartete neben meinem Wagen, den ich außerhalb des Grundstücks geparkt hatte, um Gessner keinen Vorwand zu liefern, mir doch noch die Polizei auf den Hals zu hetzen.
    Nach einer Viertelstunde kam Nora heraus. »Nichts.« Sie schüttelte den Kopf. »Er ist so stur wie nur Schweizer stur sein können.«
    »Man kann einem Schweizer Bankdirektor kaum vorwerfen, dass er das Bankgeheimnis verinnerlicht hat. Aber warten wir mal ab, was passiert, wenn er mit Manfred Schwarzenbacher gesprochen hat. Sagen Sie«, ich schaute sie an, »ist es möglich, Lena zu treffen?«
    »Sicher. Ich würde sie auch gerne sehen.«
    Die Klinik sah trotz aller Helle, Freundlichkeit und malerischer Lage am Zürichsee wie eine Klinik aus, die sich alle Mühe gibt, nicht wie eine Klinik auszusehen. Wir trafen Lena im Foyer, das nach oben bis zur gläsernen Dachspitze reichte, was eine in der Mitte aufgestellte, mindestens fünfzehn Meter hohe Palme ins rechte Naturlicht rückte. Lenas Haut hatte etwas Farbe bekommen, ihre Wangen waren nicht mehr eingefallen, sie wirkte ausgeruht und entspannt.
    »Hey, Nora-Schätzchen, hey, Schnüffler! Ihr glaubt gar nicht, was für verrückte Typen hier rumhängen! Dagegen bin ich ein Normalo-Girlie hoch zehn.« Sie deutete in eine Ecke des Foyers, in der eine kleine Espressobar aufgebaut war. »Ich habe in einer halben Stunde Therapie, sonst könnten wir nach draußen gehen. Was haltet ihr von einem Espresso?«
    Der Espresso war zwar mit zu wenig Druck zubereitet, schmeckte für einen Klinik-Espresso jedoch ganz anständig.
    »Ich habe zwei oder drei Fragen zu den Ereignissen in Münster«, sagte ich. »Darf ich sie Ihnen stellen oder würde es Sie zu sehr belasten?«
    »Keine Ahnung.« Lena wurde ernst. »Kommt drauf an, was Sie fragen. Wenn ich nicht antworte, heißt das, dass ich nicht antworten will.«
    »Okay«, sagte ich. »Im Nachhinein kann man es ja genial nennen, wie Sie die Diskette getarnt haben. Diejenigen, die hinter ihr her waren, haben meine Wohnung zwei Mal durchsucht und Feuer gelegt, aber die Diskette haben sie nicht gefunden. Auf der anderen Seite hätte ich auch nichts dagegen gehabt, wenn Sie mir die Diskette einfach gegeben hätten.«
    »Dann wäre die Diskette jetzt vermutlich weg, oder?«
    »Vermutlich.«
    »Sehen Sie!« Sie wurde kleinlaut: »Ist Ihre Wohnung völlig hinüber?«
    »Nein, es ist nicht so schlimm«, beruhigte ich sie. »Gab es nur diese eine Diskette oder haben Sie eine Kopie gemacht?«
    Sie zögerte.
    »Hat Simon eine Kopie gezogen?«, versuchte ich es mit einer anderen Frage.
    Lena nickte. »Es gab eine Kopie.«
    »Hat Simon die Kopie verwendet?«
    »Er hat sie verkauft.«
    »An wen?«
    »An eine Journalistin. Simon meinte, die sei scharf auf Guber und würde bestimmt fünfhundert Euro für die Diskette springen lassen.«
    »Woher wussten Sie, dass das Geld für Guber bestimmt war?«
    »Aus einem Brief, der auf dem Schreibtisch meines Vaters lag.«
    »Lena!« Jean Gessner war unbemerkt hinter uns getreten. Seine Stimme klang wieder ruhig und beherrscht. »Ich würde gerne mit dir reden.«
    »Scheint heute ein großer Reden-mit-Lena-Tag zu werden.« Sie schaute zu der Wanduhr hinter der Bar. »Ich habe gleich Therapie.«
    »Ich hielte es für gut, wenn deine Therapeutin dabei wäre«, sagte Gessner.
    »Warum hat er mich nicht gefragt, ob ich dabei sein will?«, warf Nora ihrem abwesenden Vater vor.
    »Ich glaube, das ist eine Vater-Tochter-Geschichte«, antwortete ich.
    »Das ist eine Familien-Geschichte«, beharrte sie.
    Wir saßen auf einer Wiese am Ufer des Zürichsees, nicht weit von der Klinik entfernt. Hinter den Alpen ging die Sonne unter und hüllte den See in orangenes Licht. Bald würde es einnachten.
    Ich hatte Recht und sie hatte Recht. Es war auch eine Geschichte der Familie Egli, eine Geschichte von Tradition und Hochmut, von Verfehlungen, Versagen und Ängsten. Ich dachte an das Bildnis des
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