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Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Titel: Wilsberg 03 - Gottesgemuese
Autoren: Juergen Kehrer
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von uns sind darüber verrückt geworden. ›Was tat Gott, ehe er die materielle Welt erschuf? Er schuf die Hölle für Leute, die solche Probleme ergründen wollen.‹ Wissen Sie, wer das geschrieben hat?«
    »Nein.«
    »Der heilige Augustinus in seinen ›Bekenntnissen‹. Augustinus lebte im fünften Jahrhundert. Und die heutigen Kosmologen haben die Hölle noch nicht überwunden.«
    Wir schwiegen eine Weile, während sich das Flugzeug durch die Atmosphäre des dritten Planeten unseres Sonnensystems bewegte. Dann sagte Kunstmann: »Wenn die eigene Arbeit darin besteht, Gott überflüssig zu machen, dann sehnt man sich nach einem Halt im Leben. Hat meine Frau eigentlich mit Ihnen geschlafen?«
    »Ich … äh …«
    »Na ja, Sie waren nicht der Erste. Unsere Ehe war nur noch das Papier wert, auf dem der Standesbeamte sie quittiert hatte. Bei der Kirche für angewandte Philosophie fand ich den Halt, den ich in meinem Privatleben und in meiner Arbeit verloren hatte. Da gab es klare Ziele und freundliche Menschen, die sich um einen kümmerten. Zu kümmern schienen, muss ich heute sagen, denn im Laufe der Zeit lernte ich die Vorschriften kennen, die genau festlegen, wie Interessierte und Neumitglieder zu behandeln sind. Aber da war ich schon zu sehr verstrickt, um die Kirche noch objektiv beurteilen zu können.
    Die KAP hat den Trick raus, wie man Menschen abhängig macht. Nicht durch Drogen, nicht einmal durch einen übermächtigen, gottähnlichen Führer. Stocker blieb, obwohl ihm übernatürliche Fähigkeiten zugeschrieben wurden, ein Mensch. Nein, die Droge ist die Therapie, das Training. Am Ende eines Kurses lechzt man nach dem nächsten, um seine Ergebnisse weiter zu verbessern. In dieser Hinsicht war Stocker, der sich das ganze System ausgedacht hat, wahrhaft genial.«
    »Und was halten Sie von seinen übernatürlichen Fähigkeiten?«, fragte ich.
    »Nun, innerhalb der Kirche kursierten die wildesten Gerüchte. Heute halte ich das alles für Mumpitz. Stocker war ein paranoider, überdurchschnittlich intelligenter Schriftsteller, der seine Science-Fiction-Geschichten in die Wirklichkeit umgesetzt hat. Die KAP ist, wenn Sie so wollen, ein Disneyland für Psycho-Freaks.«
    »Mit weitaus schwereren Folgen für die Gesundheit.«
    »Oh ja. Wenn man einmal auf der Achterbahn mitfährt, hat man nicht mehr die Kraft, auszusteigen. Jede Handbreit Entfernung von der wahren Lehre Stockers bestraft die Gemeinschaft mit Liebesentzug. Ich habe das ja am eigenen Leib erfahren. Man bekommt Angst, in ein schwarzes Loch zu fallen.« Er kicherte. »Die gibt's da oben auch.« Er zeigte auf das Fenster.
    »Wo?«
    »Im Weltall. Schwarze Löcher.«
    Ich verstand nur noch Bahnhof.
    Wir landeten gegen 20 Uhr auf dem Düsseldorfer Flughafen, und ich war froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Der schwierigste Teil des Jobs lag hinter uns, im Vergleich dazu war der Rest ein Kinderspiel. Trotzdem blickte ich mich argwöhnisch nach verdächtigen Männergestalten um. Inzwischen konnte man sich nicht einmal darauf verlassen, dass die Typen Schwarz trugen. Und den Zielort unseres Fluges herauszubekommen, durfte selbst für detektivisch minderbemittelte Ordensleute kein Problem sein.
    Sigi erriet meine Gedanken: »Glaubst du, dass sie uns hier auflauern?«
    »Es kann nicht schaden, wenn wir vorsichtig sind.«
    »Mein Auto kennen sie bestimmt nicht.«
    Da hatte sie recht. Ich schlug ihr vor, den Wagen vor die Halle zu fahren, während Kunstmann und ich die Zeit neben dem rollenden Gepäckband vertrödeln würden.
    Kunstmann sah Sigi nach und mich dann fragend an. Ich erklärte ihm den Plan.
    Als nur noch ein herrenloser Koffer, der vermutlich in Timbuktu erwartet wurde, seine Runden drehte, schlossen wir uns den anderen Passagieren an. Hinter den Glasscheiben der Zollabfertigung spielten sich bereits rührende Wiedersehensszenen ab.
    Kunstmann und ich durcheilten die Ansammlung der freudig vereinten Paare und Familien und warfen das Gepäck in Sigis Auto, das mit laufendem Motor im Halteverbot stand. Sigi rutschte auf den Beifahrersitz. Ich legte den ersten Gang ein und gab Gas. Links von uns startete ein anderer Wagen, was nicht allzu viel besagte. Etliche unserer Mitreisenden hatten wahrscheinlich ihre Autos am Flughafen geparkt.
    Sicherheitshalber behielt ich die beiden Scheinwerfer im Auge, während ich den Hinweisschildern zur A 52 folgte. Die Scheinwerfer blieben hinter uns, was auch noch nicht viel bedeutete, denn die A 52 ist
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