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Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Titel: Wilsberg 03 - Gottesgemuese
Autoren: Juergen Kehrer
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Haufen Geldscheine in der Tasche.«
    »Woran hast du sie erkannt?«
    »Sei nicht albern! Sie trug eine Uniform.«
    »Eben. Ein Mensch in einer Postuniform ist ein Postbote. Niemand würde darunter einen Spitzel vermuten.«
    Mir dämmerte etwas. »Du meinst …«
    »Genau. Ich leihe mir eine Postuniform und gehe rein. Dann sage ich, dass ich eine Anweisung für Martin Kunstmann habe. Entweder sie leugnen, dass er da ist, oder sie lassen mich einfach zu ihm.«
    »Moment mal! Wenn jemand reingeht, dann bin ich es.«
    »Red keinen Quatsch! Du hast selbst gesagt, dass dort wahrscheinlich einige Leute sind, die dich kennen. Außerdem erregt eine Frau weniger Misstrauen.«
    »Und woher willst du eine Postuniform bekommen?«
    Sigi rollte mit den Augen. »Wir könnten's bei der Postbotin von heute Morgen probieren. Sie müsste ungefähr meine Größe haben. Wenn wir sie anständig bezahlen …«
    »Okay.« Ich ging vor dem Wagen auf und ab. »Mal angenommen, du hast Glück und wirst tatsächlich zu Martin Kunstmann gelassen. Was willst du ihm sagen? Er ist völlig überrascht und hat die Papiere sicher nicht in seiner Wäschekommode. Und am nächsten Tag noch einmal aufzutauchen, ist zu gefährlich. Da würde ja der Schafköpfigste Verrat wittern.«
    »Georg!«, sagte Sigi vorwurfsvoll. »Es ist arschkalt hier. Können wir im Auto weiterdiskutieren?«
    Wir fuhren zurück nach Haslemere, prophylaktisch. Immerhin war Sigis Idee nicht schlecht, wie ich zugeben musste. Es fehlte eben nur noch das i-Tüpfelchen. Und auf einmal hatte ich es.
    »Wir schlagen ihm eine Wiederholung der Übergabe-Prozedur vor. Am nächsten Tag vor dem Postamt von Portsmouth.«
    »Siehst du!«, strahlte Sigi. »Ich wusste doch, dass dir auch noch was einfällt.«
    Manchmal kann sie ganz schön arrogant sein.
    Die alte Wirtin im Haslemerer Hotel war etwas überrascht, uns so schnell wiederzusehen. Wir sagten ihr, dass wir uns die Sache überlegt hätten und noch eine Nacht in Haslemere verbringen wollten. Möglichst in demselben Zimmer, das ja inzwischen so gut wie geheizt war. Sie überreichte mir würdevoll den Zimmerschlüssel, und bei der Gelegenheit fragte ich sie nach der Postbotin, die mir heute Morgen das Geld gebracht hatte. Nicht, dass es da eine Unstimmigkeit gebe, aber ich hätte noch eine Nachfrage. Rein privat.
    »Oh! Das war Patty Smith. Sie wohnt hier in der Nähe. Die dritte Straße rechts.«
    Ich notierte die Straße, bei der Hausnummer war sich die Alte nicht sicher. Aber es sei ein modernes Haus, nicht zu verfehlen, weil es die anderen um zwei Stockwerke überrage.
    Wir brachten die Taschen nach oben, warfen ein paar Münzen in den Gasautomaten und beeilten uns, Patty Smith zu finden.
    Sie war zu Hause und bat uns ins Wohnzimmer, wo eine gewisse Unruhe herrschte. Der Fernseher lief, das Radio auch, zwei Kinder schrien sich an und bewarfen sich gegenseitig mit Porridge. Davon unberührt lag ein Mann auf dem Sofa und schlief.
    Patty Smith schaltete das Radio ab, drehte am Fernseher den Ton weg, gab beiden Kindern einen Klaps und stemmte fragend die Fäuste in die Hüften. Von der plötzlichen Ruhe geweckt, hustete der Mann lange und ausgiebig.
    Sigi brachte unsere Bitte vor.
    »Das geht nicht«, sagte Frau Smith. »Ich darf meine Uniform nicht verleihen. Wenn das jemand erfährt, verliere ich meinen Job.«
    Der Mann richtete sich halb auf und stützte dabei den Kopf auf die Hand. »Wie viel?«
    Wir einigten uns auf fünfzig Pfund.
    Es war früher Nachmittag, und die Sonne brach erstmalig durch die dicke Wolkendecke. Sigi fing langsam an, nervös zu werden.
    »Du musst da nicht rein«, sagte ich. »Wir können die Sache noch abblasen.«
    »Blödsinn! Ich habe gesagt, dass ich's tue, und dabei bleibt es.«
    »Du siehst nicht gerade englisch aus. Außerdem sprichst du nicht akzentfrei.«
    »Na und? Es gibt auch in England jede Menge Ausländer. Warum nicht bei der Post? Und mein Englisch ist gut genug, ich habe schließlich ein halbes Jahr in den USA gelebt.«
    Ich gab mich geschlagen.
    Sigi lächelte gezwungen. »Ich bin nur ein bisschen aufgeregt. Das ist alles.«
    Einen halben Kilometer vor dem Schloss fuhr ich an den Straßenrand.
    »Ich warte hier. Wenn du in einer Stunde nicht wieder da bist, gehe ich zur Polizei. Ich hol dich da raus. Hab keine Angst!«
    Sie legte mir den Arm um den Hals und drückte mich kurz an sich. Dann stieg ich aus und sah dem davonfahrenden Auto nach. Hoffentlich dachte Sigi an den Linksverkehr!
    Die Sonne
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