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Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Titel: Wilsberg 03 - Gottesgemuese
Autoren: Juergen Kehrer
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hatte sich wieder hinter den Wolken verkrümelt. Es war kalt und grau. So kalt und grau wie meine Gedanken. Ich ging auf und ab, auf und ab. In der rechten Manteltasche steckte eine neue Spielzeugberetta, die ich fest umklammert hielt. Sie hatte im Koffer gelegen, war aber bei der Sicherheitskontrolle im Düsseldorfer Flughafen offensichtlich niemandem aufgefallen. So konnte ich mir die Geschichte vom Geburtstagsgeschenk für meinen Neffen in England sparen. Ich stellte mir vor, was für ein Gesicht der KAP-Boss machen würde, wenn ich ihm den Lauf an die Schläfe drückte. Das war ein schöner Gedanke. Weitaus besser als der aktuelle Gebrauchswert, der sich darauf beschränkte, eine Schar Zugvögel zu erschrecken.
    Es kam niemand vorbei. Nicht mal ein Schäfer, mit dem ich über Schafe und Wölfe plaudern konnte. Alle zwei Minuten guckte ich auf die Uhr. Es war schlimmer als beim Zahnarzt.
    Nach vierzehn Minuten sah ich den weißen Mietwagen. Ich machte innerlich einen Freudensprung.
    Sigi bremste mit quietschenden Reifen. Sie strahlte.
    »Es hat geklappt«, rief sie, als ich einstieg. Dann fiel sie mir um den Hals und küsste mich auf den Mund.
    »Fahr weiter!«, sagte ich, sobald ich wieder Luft bekam. »Könnte ja sein, dass ein KAPler vorbeikommt.«
    Sie trat aufs Gaspedal. »Es war ganz einfach. Zuerst haben sie sich blöde angeguckt, als ich sagte: eine Geldanweisung für Mister Kunstmann. Dann hat einer telefoniert. Anscheinend wussten sie nicht so recht, was sie machen sollten. Der, der angerufen hat, hat mich vertröstet: Wir müssen Mister Kunstmann erst suchen.«
    »Ziemlich dumm von ihm. Damit hat er zugegeben, dass Kunstmann im Schloss ist.«
    »Er wurde auch ganz kleinlaut, als nach ein paar Minuten der Rückruf kam. Dann hat mich ein anderer über den Innenhof geführt.«
    »Hast du etwas entdeckt, was sich für unsere Zwecke eignet?«
    »Habe ich. Über mehrere Treppen kamen wir zu einer großen Holztür, hinter der sich eine Art Foyer befindet. Da hat er mich einem anderen übergeben, mit dem ich durch einen langen Flur gegangen bin. Weißt du«, sie kicherte, »manche von denen sehen aus, als wären sie gerade aus dem Raumschiff Orion gekommen. Die tragen goldgestreifte weiße Kostüme. Echter Weltraumlook. Wenn ich nicht so aufgeregt gewesen wäre, hätte ich mir vor Lachen in die Hose gemacht.«
    »Und dann?«, fragte ich ungeduldig.
    »Nachdem wir etwa einen Kilometer gegangen waren, mündete der Flur in einen großen runden Raum. Einer der Ecktürme, nehme ich an. Es sah aus wie ein Aufenthaltsraum, mit Sesseln, Tischen und einer kleinen Teeküche. Kunstmann saß auf einem der Sessel.«
    »Welchen Eindruck machte er auf dich?«
    »Er sah mies aus, so wie jemand, der drei Tage nicht geschlafen hat. Ich sagte meinen Spruch auf: Ich habe hundert Pfund für Sie. Wenn Sie bitte hier unterschreiben würden und so weiter.«
    »Wie hat er reagiert?«
    »Er hat mich erstaunt angeguckt. Ich musste ihm den Zettel praktisch vor die Nase halten, bis er merkte, was los war. Dann hat er sich sehr cool verhalten, alles genau durchgelesen und unterschrieben.«
    »Wo war der Typ, der dich begleitet hat?«
    »Der stand zwei Meter hinter mir. Aber ich glaube nicht, dass er Verdacht geschöpft hat.«
    »Ausgezeichnet.« Ich drückte ihre Schulter. »Das hast du sehr gut gemacht.«
    »Ich weiß«, sagte sie und kniff mich ins Bein.
    In Haslemere hielt Sigi vor einem Geschäft mit Gartenwerkzeugen, und ich kaufte eine große Zange. Patty Smith war glücklich, ihre Uniform so schnell zurückzubekommen. Dann fuhren wir zum Hotel, wo wir den Rest des Nachmittags im Bett verbrachten.
    Am Abend standen wir auf und fahndeten nach einem Slow-Food-Restaurant. Wir fanden eins mit Kerzenständern auf den Tischen und sauberen Tischdecken. Unglücklicherweise hatte der Koch mein Lammsteak mit Pfefferminzsoße übergossen. Ich bekam fast nie Zahnschmerzen, ausgenommen den seltenen Fall, dass meine Plomben mit Pfefferminzsoße in Berührung kamen. Also vergaß ich das Lammsteak und widmete mich den Brechbohnen. Kulinarisch gesehen war England keine Offenbarung für mich.
    Zurück im Hotel, zog ich mich für die Nachtarbeit um. Ich hatte unseren Plan erweitert und eine kleine Rolle für mich eingebaut. Nicht nur aus Gründen des Selbstwertgefühls, sondern auch, um Martin Kunstmann zumindest die Möglichkeit einzuräumen, aus dem Schloss zu fliehen. Auf dem Weg durch den Innenhof hatte sich Sigi eine markante Stelle gemerkt, an der
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