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Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Titel: Wilsberg 03 - Gottesgemuese
Autoren: Juergen Kehrer
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mehr einem Eiskeller, aber es hatte auch nicht mehr Komfort als die Büßerzelle in einem Benediktinerkloster. Ich wusste nicht, was sich Sigi von der ersten Nacht in einem gemeinsamen Bett versprochen hatte, aber die Umstände waren nicht so, dass sich eine Nachfrage lohnte.

XIV
    Das Frühstück lag drei Klassen über der übrigen Ausstattung des Hotels. Eine Frau mit Flügelbrille und weißgestärkter Schürze fuhr jede Menge Schüsselchen und Schälchen auf, deren Inhalt zwar nicht gleichermaßen genießbar war, aber selbst bei Umgehung einiger sonderbarer Substanzen für eine gute Arbeitsgrundlage an diesem Tag sorgte. Dazu gab es sogar richtigen Kaffee und eine Zeitung.
    Wir zogen das Frühstück, das wir um neun Uhr begonnen hatten, in die Länge, weil wir in der Nähe des Eingangs saßen und einen freien Blick auf eintreffende Geldbriefträger hatten. Oben, in unserem Zimmer, standen die gepackten Taschen für eine überstürzte Abreise bereit. Denn noch gab es eine winzige Chance, rechtzeitig in Portsmouth zu sein.
    Um zehn Uhr klappte ich die Zeitung zusammen und sagte: »Vorbei.«
    »Vielleicht sollten wir mal zur Post gehen und nachfragen«, meinte Sigi.
    Die ältliche Wirtin schaute herein und erkundigte sich nach unserem Befinden. Wir beruhigten sie und nahmen dankend noch eine Tasse Kaffee an. Ob wir eine weitere Nacht zu bleiben beabsichtigten? Nein, eigentlich nicht. Ja, dann müssten wir das Zimmer bis elf Uhr räumen. Kein Problem, versicherten wir.
    Ich zog die Zigarilloschachtel aus der Tasche und spielte auf Zeit. Langsam wurde es schwierig, noch einen interessanten Artikel in der Zeitung zu finden.
    Um halb elf kam eine Postbotin und fragte nach einem Mr. Wilsbörg. Ich präsentierte ihr meinen Ausweis, und sie häufte tausend Pfund auf den Frühstückstisch. Es war, als ob man eine Eintrittskarte für das Endspiel in Wimbledon geschenkt bekommt, nachdem Boris Becker den zweiten Satz verloren hat.
    Wir bezahlten das Hotelzimmer, hetzten nach oben und stürzten mit unserem Gepäck zum Mietwagen. Vielleicht war der Überbringer der mysteriösen Papiere ja ein besonders geduldiger Mensch, der eine einstündige Verspätung locker einkalkulierte.
    Um Punkt zwölf erreichten wir den Platz vor dem Hauptpostamt von Portsmouth. Sämtliche Sicherheitsregeln missachtend, forschten wir offen nach einem linksarmigen Zeitungsträger. Aber der einzige Mensch, der eine Zeitung dabeihatte, hielt diese mit den Fingern der rechten Hand. Außerdem blieb er nicht stehen, sondern verschwand um die Ecke eines Gebäudes.
    Im Inneren des Postamtes bot sich das gleiche Bild. Weder erblickten wir eine Times, noch sprach uns jemand an, der wissen wollte, ob wir aus Münster in Germany kämen. Wir waren, schlicht und ergreifend, zu spät.
    »Und nun?«, fragte Sigi. Sie wiederholte sich.
    Ich schlug vor, zum Schloss der KAP zu fahren. Nur so, ohne feste Absicht und weil es gar nicht weit von hier lag.
    Wir fuhren eine halbe Stunde durch die parkähnliche Landschaft und fragten schließlich einen Schäfer, nachdem wir seine Schafe durchgelassen hatten. Er war ein zorniger älterer Herr, der wissen wollte, ob wir zu diesen Teufelsanbetern gehörten. Erst als wir versicherten, dass wir lediglich einen Verwandten aus den Klauen derselben zu befreien versuchten, wies er uns den Weg.
    Plötzlich rief Sigi: »Da! Das muss es sein!«
    Ich stoppte den Wagen. Ein Sandsteingebilde, mit Burgmauern und -türmchen, aber von einer Höhe, die allenfalls Zwerge an der Erstürmung hindern würde, zeichnete sich am Horizont ab. Ich holte das Fernglas aus der Tasche und stellte mich an den Straßenrand. Auch durch das Glas sah das Schloss nicht so groß und imposant aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Verglichen mit der Queen of England, war die Kirche für angewandte Philosophie ein armer Schlucker.
    In angemessener Entfernung vom Schloss zog ein gut befestigter Maschendrahtzaun seinen Kreis und an der Zufahrtsstraße lümmelten ein paar schwarz gekleidete Gestalten herum. Es war nicht Fort Knox, aber auch nicht die Suppenküche der Heilsarmee.
    Ich reichte Sigi das Glas.
    Sie guckte eine Weile hindurch, während ich einen Zigarillo rauchte und angestrengt nachdachte.
    »Ich habe eine Idee«, sagte sie.
    »Ich auch nicht«, sagte ich.
    » Ich habe eine Idee«, beharrte Sigi.
    »Du?« Ich guckte sie erstaunt an.
    »Ja.« Sie war ganz aufgeregt. »Du erinnerst dich doch an die Postbotin heute Morgen?«
    »Natürlich. Das war die mit dem
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