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Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)

Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)

Titel: Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)
Autoren: Gunter Hofmann
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November 1983. Nun schien der Bruch besiegelt. Helmut Schmidts Partei hatte beschlossen, kurz vor dem geplanten Stationierungstermin zu entscheiden, ob sie endgültig der Nachrüstung zustimme. Schmidt hatte das so gewollt und drei Jahre lang den Sozialdemokraten immer wieder die Zustimmung zu seinem Kurs abgerungen, auch die Willy Brandts. Um ein «Schlusswort» der Sozialdemokraten zu ihrem Nachrüstungsstreit ging es also nur noch. Aber insgeheim stand auch auf der Tagesordnung, wem ihre Loyalität gelte: Schmidt oder Brandt? Zu entscheiden war nichts mehr wirklich. Solange Willy Brandt Parteichef war, hatte er strikt darauf geachtet, es darüber nicht zum Bruch mit dem Kanzler kommen zu lassen. Und seine Partei zwang sich dazu, Brandt dabei zu folgen. Brandt fürchtete auch, die SPD breche auseinander, oder die neue grüne Partei sammle eine verärgerte junge Generation auf, die sich von Schmidts Politik verprellt sah.
    Die Ostpolitik befürwortete Schmidt zwar auch. Aber prinzipielle Differenzen in Stil und Sache pflasterten dennoch seit Mitte der 60er Jahre häufig ihren gemeinsamen Weg. Und in diesem Konflikt über den Sinn und Segen der Drohpolitik, die Gefahren der Überrüstung, der Flucht ins Militärische statt dem Vertrauen in Politik, bündelte sich das alles. Schmidt meinte, oder sagte es jedenfalls so, Brandt hätte gegenüber der «Linken» nur ein Machtwort sprechen müssen, dann wäre der Konflikt aus der Welt gewesen. Ein solches Machtwort wollte Brandt nicht sprechen, ja, er war davon überzeugt, das könne es in Wahrheit auch nicht geben.
    Köln! Ein solcher Film lief noch einmal ab vor den eigenen Augen, als Helmut Schmidt sich mit seinen dreizehn Getreuen, Hans-Jürgen Wischnewski, Georg Leber oder Hans Apel darunter, blass und ernst, tapfer und mit wehenden Fahnen, plötzlich derart an den Rand gedrängt sah. Die Zeit schien in dem Moment ungnädig über ihn hinweggegangen zu sein. Was für ein bitterer Schlusspunkt für den Kanzler a. D.! Aber die Stunde der wahren Empfindung war es doch auch. Willy Brandt machte sich nach langem Rücksichtnehmen auf den Regierungschef endlich ehrlich. Er triumphierte nicht. Denn Sieger waren nicht die Kritiker und die Friedensbewegung, die SPD befand sich in der Opposition, die Geschichte setzte sich über sie hinweg und fest stand, die Nuklearwaffen würden bald nach Mutlangen transportiert. Und die neue Partei an der Seite, die Grünen, formierte sich. Häme war auf keiner Seite zu spüren, auch nicht Zorn, eher Enttäuschung, Erschöpfung und Traurigkeit.
    Vor Augen hat man das Bild vom großen Zerwürfnis in Köln, im Ohr hat man aber auch Schmidts Worte nach dem Besuch bei dem Todkranken: «… ich werde mich auch fürderhin einen Freund Willy Brandts nennen.» Davon, vom Ungesagten zwischen den beiden, handelt das Buch.

VII. Abschiede
    Parallelgeschichten müsste man erzählen von Willy Brandt und Helmut Schmidt, nach dem Kölner Parteitagsfinale. Ihre Wege kreuzten sich nur noch selten. Altersschönheiten in der öffentlichen Arena der Bundesrepublik wurden sie mit der Zeit beide.
    Sein «Seitenwechsel» zur ZEIT habe sich als Glücksfall für ihn erwiesen, bekannte Schmidt später. Ohne Last der Verantwortung auf den Schultern konnte er schreibend zu den Fragen Stellung nehmen, mit denen sich seine Nachfolger Kohl, Schröder und Merkel herumplagen mussten, selbst wenn sie sie nicht beantworten konnten. Quasi als Journalist – «Wegelagerer» hatte er unsereins gern genannt – kommentierte und analysierte er die Weltläufte, aber auch mit jenem inneren pädagogischen Eros, das ihn auch als Politiker auszeichnete. In dem Sinne steuerte er weiter mit, nur jetzt vom kleinen Herausgeberbüro aus im sechsten Stock des Pressehauses am Speersort im Herzen Hamburgs, nicht mehr aus dem Kanzleramt.
    In der Debatte über das konstruktive Misstrauensvotum gegen Schmidt, im Herbst 1982, hatte Brandt als SPD-Vorsitzender mit einem Seitenblick auf die Grünen für den Zusammenschluss dessen geworben, «was vernünftigerweise zusammengehört».[ 1 ] Und das war erst der Auftakt. Er bedauerte, dass es zu dieser Aufsplitterung gekommen war, und suchte gezielt eine Mehrheit «diesseits der Union». Warum sollten die Sozialdemokraten sich nicht mit den Grünen verbünden, die er politisch besehen zu den eigenen Kindern zählte? Schon 1968 hatte er für «Öffnung» gegenüber der außerparlamentarischen Opposition plädiert, das galt erst recht für eine Partei, die
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