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Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)

Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)

Titel: Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)
Autoren: Gunter Hofmann
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«Nein.»[ 5 ]
    Aber das waren Antworten des alten Herrn, als junger Mann hat er die Sache mit dem «Ehrgeiz» und der «Macht» auch anders gesehen.
    Willy Brandt wollte sich «platzieren», um etwas zu erreichen, Helmut Schmidt wollte – im Rückblick aus großer Distanz jedenfalls – der Verantwortung gerecht werden nach seinen Maßstäben. Unterschiedliche Motive waren es ganz gewiss, die sie das Kanzleramt früh anvisieren ließen, Brandt zielstrebiger als Schmidt, und sie verbanden auch andere Vorstellungen damit.
    Das Wort «Glück» kam bei ihm oft vor, wenn man mit ihm sprach und er den Blick zurückschweifen ließ auf sein Leben, ausgerechnet der Mann, der nach einem schönen Wort von Günter Grass so gern seiner Melancholie Termine einräumte. Glück, weil es ihm gelang, nach Norwegen zu fliehen 1933, als junger Mann. Glück, als «Hitler-Gegner» den Krieg überlebt zu haben, im Untergrund quer durch Europa Freunde gewinnen zu können, und im Exil eine zweite Heimat zu finden in Norwegen. Glück schließlich, weil er Anschluss in der neuen Bundesrepublik fand, und das auch noch in Berlin, wo er als Regierender Bürgermeister quasi automatisch eine bundespolitische Rolle spielte und eine Alternative zum Kanzler in Bonn bildete – dem Weimarianer, der noch hineinragte aus der Vor-Hitler-Ära in die neue Bundesrepublik. Glück, dass er zum ersten sozialdemokratischen Kanzler gewählt wurde, und erst recht, weil er die Ostpolitik seiner sozialliberalen Koalition gegen alle Widerstände über die parlamentarischen Hürden brachte und realisierte. Nicht einmal das Gefühl, nach nur vier Jahren, 1974, als Kanzler zurücktreten zu müssen und damit um seine Chance betrogen worden zu sein, hat ihm dieses Empfinden, «Glück», auf ewig vergällt.
    Anders Helmut Schmidt: Weil er fünf Jahre jünger war als Willy Brandt, so empfand er es, habe er zu jener Generation gehört, die 1933 und in den folgenden Jahren nicht erwachsen genug war, um ganz zu begreifen, was in Deutschland geschah, die aber um ihre Jugendjahre betrogen worden sei, weil sie im Uniformrock von «Adolf-Nazi» – wie er es gern ausdrückt – steckte. Das war das deutsche Unglück und sein Pech, Lebenspech. Früh traute man ihm zu, dass er das Kanzleramt ausfüllen könne, und auch er schien zu bedauern, dass ihm diese Chance versagt bleiben werde, nachdem der wenig ältere Brandt nun einmal Kurt Georg Kiesinger im Palais Schaumburg abgelöst hatte. Es war Brandts Recht, fand Schmidt aber.
    Lebensalter, Chronologie, Hackordnung führten zur Entscheidung zugunsten der Kandidatur Brandts, erstmals im Jahr 1960. Herbert Wehner versprach sich schlicht von dem populären Berliner Bürgermeister die größten Chancen für seine Partei. Loyal trug Schmidt das mit.
    Willy Brandt schaffte tatsächlich den Sprung ins Kanzleramt an der Spitze einer sozialliberalen Koalition. Helmut Schmidt avancierte zur «Nummer eins», zum Kronprinzen, der im Falle des Falles nachrücken könnte. Brandt nahm ihn allerdings häufig auch als jemanden wahr, der an seinem Stuhl säge. Unbelastet war ihr Verhältnis – bei allen konjunkturellen Schwankungen – praktisch nie. Eruptiv äußerte sich das 1972, die Ostverträge waren gerettet und wirksam, er ging bei den vorzeitigen Wahlen als Sieger hervor, aber seine Kräfte überstieg dieser politische Dauergewaltakt seit 1969 eindeutig. Er zog sich ins abgedunkelte Zimmer zurück und nahm seine Auszeit. Horst Ehmke suchte ihn nach einigen Tagen auf, wie er sich erinnert, bei einer Flasche Rotwein tauschten sie sich aus über das, was ihn plage, und vor allem darüber, was von Schmidt und Wehner zu halten sei. Da brach es aus Brandt heraus: «Schmidt und Wehner sind Arschlöcher!» Danach, lacht Ehmke, raffte er sich wieder auf zum Regieren.
    Als ihm dann im Jahr 1974 wegen der Enttarnung des kleinen Mitarbeiters Günter Guillaume Willy Brandt seine Rücktrittsabsichten gestand und ihm zuraunte, «Helmut, Du musst es machen!», zauderte Schmidt ernsthaft. Weshalb? Er sah die ungeheure Bürde auf sich zukommen. Wenn, dann wollte er es richtig machen nach seinen eigenen Maßstäben. Und natürlich spürte er auch die veränderten Vorzeichen in der Weltökonomie, die den Wohlfahrtsstaaten künftig enge Grenzen ziehen würden, und damit auch gerade einer Partei wie der SPD. Dennoch stimmte er zu. Zwei Legislaturperioden blieb er im Amt, mit Brandt als Parteivorsitzendem (bis 1987) an der Seite.
    All das war passé, im
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