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Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)

Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)

Titel: Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)
Autoren: Gunter Hofmann
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nicht auch, diese Kunst des Regierens. Noch gaben die Älteren den Ton an in ihrer Partei, Kurt Schumacher, Erich Ollenhauer, Carlo Schmid und Herbert Wehner. Ein kleiner Nebenkanzler aber war Brandt ohnehin, seit er 1957 in Berlin zum Regierenden Bürgermeister gewählt worden war und die Interessen der Stadt auch in den großen Hauptstädten der westlichen Welt vertrat – eine Mission, die der christdemokratische Kanzler in Bonn von Brandt sogar wünschte. Helmut Schmidts Name prägte sich in der Republik spätestens mit der Hamburger Flutkatastrophe im Februar 1962 ein, seitdem galt er als begnadeter Krisenmanager, der auch anderen Herausforderungen gewachsen wäre. Mit seinem Buch Verteidigung oder Vergeltung (1965) schrieb er sich hinein in die internationale militär-strategische Community. Den Weltblick eignete er sich systematisch an, den Brandt als Emigrant gewann, seit er inkognito mit der Bahn in der Holzklasse nach Paris, Barcelona, Prag oder heimlich sogar Berlin reiste, um für den Widerstand gegen Hitler Fäden zu knüpfen.
    Von Rut (Hansen) Brandt, die ihren Mann 1944 in Schweden kennenlernte und mit ihm noch zusammenlebte, als er dreißig Jahre später, 1974, als Kanzler demissionierte, stammt jene kleine Episode über ihren Gatten, die man nicht vergessen sollte. Bei ihren Parteitagen ließ die SPD den Berliner Politiker regelmäßig schnöde durchfallen, wenn er sich wieder mal um einen Platz im Vorstand bewarb, und es half ihm auch nicht, dass er aus der Frontstadt kam. Schweigsam und verschlossen, so schilderte Rut Brandt es, habe er jedes Mal auf diese Niederlagen reagiert und den Parteihickhack zu verdrängen gesucht. Als sie ihn darauf ansprach, warum denn Einfluss für ihn so wichtig sei – sie sei eben «keine gute Stütze» für ihn gewesen, flocht sie noch entschuldigend ein –, sie hätten sich doch jenseits der Politik ein ruhiges Leben gönnen können, erwiderte er spontan: «Verstehst du denn gar nicht, dass ich Macht will!»
    Macht sei für sie etwas Diktatorisches gewesen, erinnerte Rut Brandt sich, «das wir von der Besatzungszeit kannten», «Willy» sei alles andere als ein Machtmensch gewesen. Viele Jahre später, nachdem er «Macht» bekommen hatte, sei sie im Gespräch mit ihm auf die Episode zurückgekommen, «er konnte sich aber nicht daran erinnern». Damals habe sie besser verstanden, was er in Berlin meinte, als er so explodierte. «Er war in die Heimat zurückgekehrt», so deutete sie seine Reaktion, «um sich für seine Ziele einzusetzen, um auf die Entwicklung einzuwirken, um beim Aufbau eines neuen Deutschland dabei zu sein.» Für ihn sei durchaus entscheidend gewesen, sich dort zu platzieren, «wo er den größten Einfluß ausüben konnte.»[ 4 ] Und das war das Palais Schaumburg, in dem damals noch der alte Fuchs und Rosenzüchter, der Kölner Katholik Konrad Adenauer residierte, als sei es für immer. Willy Brandt hätte es so direkt, klar und schnörkellos wohl nie formuliert wie Rut, aber in dem Sinne wollte er Macht, und es war daher auch keineswegs Herbert Wehner allein, der ihn 1960 zum Kanzlerkandidaten der SPD beförderte.
    War Helmut Schmidt ein Machtmensch, drängte ihn Ehrgeiz ins Kanzleramt, oder was war sein Movens? Diese Kategorie, erwiderte er dem früheren ZEIT -Chefredakteur Theo Sommer, mit Schmidt seit Jahrzehnten eng verbunden, habe für ihn nie eine Rolle gespielt. Ein Politiker brauche «Tatkraft», manchmal gewinne er Einfluss, «aber Macht übt er kaum aus». Schmidt, ungnädig: Einem Soziologen oder einem Politologen oder einem Journalisten angemessen seien solche Fragen vielleicht, er selber habe die «Macht» nicht empfunden. Verantwortung sei eine «ziemliche Last, und sie ist unvermeidlich».
    Theo Sommer: «Macht – kein Aphrodisiakum?»
    Helmut Schmidt: «Nein.»
    War er dann froh, nach achteinhalb Jahren die Last abgeben zu können?
    «Auch nicht. Ich wollte es ja. Ich war darauf eingestellt. Man muss dazu wissen, was die Öffentlichkeit vielleicht nicht richtig mitbekommen hat. Als ich 1974 das Kanzleramt von Willy Brandt übernahm, tat ich das in der Vorstellung, es sei meine Aufgabe, die Koalition bis zur nächsten Bundestagswahl mit Anstand zu Ende zu führen. Ich sah eine Regierungszeit von zweieinhalb Jahren vor mir und nicht etwa von achteinhalb Jahren.»
    Er blieb länger, bis ans Limit, wie er später sagte, nach einer so langen Amtszeit sei man einfach erschöpft. Hat ihn der Machtverlust geschmerzt?
    Schmidt wortkarg:
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