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Wille zur Macht

Wille zur Macht

Titel: Wille zur Macht
Autoren: Joe Schlosser
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zeigte. In eine der großen Glasscheiben war eine Tür eingelassen, die allerdings verschlossen war. Auch hier mussten sie noch zwei Stunden ausharren, bis endlich eine Stewardess erschien, die Tür zum Rollfeld öffnete und nach der Sichtkontrolle der Tickets alle Brigadisten in einen alten Bus verfrachtete, der sie zu ihrer Maschine brachte.
    Es war eine kleine Maschine der Cubana Airlines, aber dennoch so groß, dass es sich jeder der Brigadisten auf mehreren Sitzen bequem machen konnte. Denn weitere Mitreisende gab es nicht. Sie waren mit ihrer Brigade allein an Bord.
    Der Flug sollte nicht lange dauern, aber die Zeit reichte, um allen noch ein Frühstück zu servieren. Dann gab der Flugkapitän bekannt, dass sie in den Landeanflug auf Nicaraguas Hauptstadt eintreten würden. Alle schnallten sich wieder an, und die, die einen Fensterplatz hatten, und das waren eigentlich alle, blickten nach draußen, gespannt, wie dieses Land, das sich in einem mörderischen Befreiungskampf von der schrecklichen Diktatur des amerikafreundlichen Präsidenten Somoza befreit hatte, eigentlich aussehen würde. Sie erblickten den Beginn des Festlandes. Breite Zonen trockenen Bodens zeigten sich. Vereinzelt unterbrochen durch kleine Dörfer, die von erschlossenen Feldern umgeben waren. Dann überflogen sie Managua, bevor sie mit einer weiten Kurve in die Richtung des außerhalb liegenden Flughafens abbogen.
    Managua wirkte von oben wie eine zerstörte Stadt nach länger zurückliegenden, schweren Bombenangriffen. Überall waren große, freie Flächen, die auf den ersten Blick wie Grünzonen aussahen, auf den zweiten aber zeigten, dass es mitten in der Stadt befindliche Brachflächen waren. Es handelte sich nicht um Zeugnisse der zurückliegenden Befreiungskämpfe; vielmehr waren es die Resultate des großen Erdbebens von 1972, als große Teile der Hauptstadt zerstört worden waren. Obwohl es anschließend eine internationale Finanzhilfe für den Wiederaufbau gegeben hatte, erreichte dieses Geld nie seinen Bestimmungszweck. Vielmehr soll es sich der Diktator Somoza einfach in die eigene Tasche gesteckt haben. Beim Anflug auf die Landebahn konnte man rund um den Flughafen diverse Stellungen zur Flugabwehr entdecken. Und überall waren Soldaten postiert.
    Nachdem das Flugzeug in seiner Halteposition angekommen war, gab der Pilot die aktuelle Zeit und die herrschenden Temperaturen durch und vergaß auch nicht darauf hinzuweisen, dass das Photographieren des Flughafens und insbesondere der militärischen Einrichtungen strengstens untersagt wäre.
    Die Passkontrolle ging überraschend schnell voran. Auch das Gepäck erhielt jeder Brigadist prompt und ohne weitere Kontrollen. Das lag nicht an der laschen Überprüfungsmentalität der Nicaraguaner, sondern an der gut funktionierenden Zusammenarbeit der Behörden und Geheimdienste in Nicaragua und auf Kuba. Während ihrer langen Wartezeit in Havanna tauschten die Offiziellen und die weniger Offiziellen die Daten der Brigadisten untereinander aus, suchten auf Computern und in Karteien und fertigten ihre Notizen an. Auch das gesamte Gepäck der Brigade wurde in Havanna inspiziert und ordnungsgemäß wieder verschlossen.
    Vor dem Flughafen wartete Renate, eine deutsche Genossin aus dem nicaraguanischen Koordinierungsbüro für internationale Brigaden, und eine   camionetta , ein kleiner Lkw mit offener Pritsche. Renate erklärte, dass die Gruppe nun erst mal ihre Unterkunft in Managua beziehen würde, bevor es weitergehen könnte an ihren Bestimmungsort in den Bergen. Die Abfahrt wurde um zwei Tage verschoben, damit die Brigade die Gelegenheit erhielt, am nächsten Tag an den Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag teilzunehmen, dem 19. Juli, dem Tag, als im Jahr 1979 die Sandinisten die Regierung übernahmen, nachdem der Diktator Somoza fünf Tage vorher geflüchtet war. Natürlich nicht ohne die Staatskasse mitzunehmen.
    Gutgelaunt und ein bisschen aufgeregt verluden die Brigadisten ihr Gepäck auf den Wagen. Dann stiegen sie selbst hinten auf, und wenig später ging es los. Es war heiß, weit über dreißig Grad Celsius, und der Fahrtwind auf der Ladefläche eine willkommene Erfrischung.
    Sie fuhren durch heruntergekommene Vororte, vorbei an maroden Fabriken und Siedlungen aus einfachen Holzhütten. Kleine Gewerbebetriebe tauchten am Straßenrand auf.
    An fast allen Hauswänden prangten Parolen der FSLN, der Nationalen Befreiungsfront Nicaraguas. „Patria libre o morir“ war am häufigsten zu
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