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Wille zur Macht

Wille zur Macht

Titel: Wille zur Macht
Autoren: Joe Schlosser
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Heuanhänger fuhr und ihn von der Straße in den Graben drückte.
    Dunker schreckte auf. Im Saal ging es weiter. Das kleine Zentralkomitee auf dem Podium begann die Namen derer zu verlesen, die als Brigadisten ins Kriegsgebiet nach Nicaragua entsandt werden sollten. Sein Name war dabei. Ein Gefühl der Aufregung durchfuhr seinen Magen. Jetzt wurde es wirklich ernst. Einerseits fühlte er sich durch die Auswahl seiner Person in seiner jahrelangen Arbeit für Lateinamerika bestätigt. Aber andererseits war ihm auch ein wenig mulmig bei der Sache. Er hatte keine große Ahnung von dem, was ihn erwartete. Aber jetzt stand unwiederbringlich fest: Er flog nach Nicaragua und trat in eine bewaffnete, internationale Brigade ein. Zum Kampf gegen die Contra, diese vom Westen unterstützte Söldnerarmee, die die neue nicaraguanische Revolutionsregierung niederkämpfen sollte. Und zum Schutz eines Dorfes im Grenzgebiet zu Costa Rica.
    Zwei Monate später hob die Maschine der Cubana Airlines vom Flughafen in Ostberlin ab und nahm Kurs auf Havanna. Nach vielen Stunden gab es einen Zwischenstopp in Gander auf Neufundland. Dann ging es direkt in die kubanische Hauptstadt, und die Maschine rollte nach der Landung auf dem Flughafen José Marti vor den Eingang für Transitreisende.
    „Bienvenido“ stand in großen Lettern über der Tür.
    Es dauerte einige Zeit bis das Bodenpersonal eine Gangway ans Flugzeug geschoben hatte. Aber dann ging es hinaus in die schwüle Luft Kubas. Es war kurz nach Mittag, und eine brennende Sonne stand hoch am Himmel. Zwei uniformierte Frauen mit überdimensionierten Revolvern an der Seite geleiteten die Brigadisten in einen Wartesaal und wiesen sie an zu warten. Und so wartete Dunker mit etwa zwanzig seiner Mitbrigadisten darauf, dass es weitergehen würde. Aber es ging nicht weiter. Stunde um Stunde verstrich, und in dem nicht klimatisierten Raum wurde die Luft heiß und stickig. Ab und zu schaute ein Uniformierter herein, aber alle an ihn gerichteten Fragen beantwortete er nur mit einem langgezogenen „tranquilo, tranquilo“.
    Nach fast fünf Stunden wurden sie erlöst. Sie durften den Raum verlassen und in das Flughafenrestaurant wechseln. Hier gab es eine funktionierende Klimaanlage und jede Menge Getränke. Dunkers Durst war groß. Er orderte zwei eiskalte, kubanische Colas und versuchte, gegen die in seine Nase aufsteigende Kohlensäure ankämpfend, die erste mit einem Zug zu leeren. Es gelang ihm nicht.
    Irgendwann sickerte durch, dass ihr Anschlussflug in Nicaraguas Hauptstadt Managua erst am kommenden Morgen abgehen würde. Das bedeutete für alle eine lange und ungemütliche Nacht auf dem Flughafen. Ihnen wurde erklärt, dass sie das Restaurant nicht verlassen durften, und so machten sie es sich so bequem wie möglich, um zu lesen, zu quatschen oder sich auszuruhen. Dunker versuchte, es sich auf einem harten Plastiksitz mit seiner Parkajacke gemütlich zu machen und zu schlafen. Im Sitzen. Es klappte nicht. Irgendwann schliefen seine Beine ein, und er musste sich bewegen, um wieder Blut in die abgedrückten Adern zu bekommen.
    Spät am Abend wurde die Deckenbeleuchtung im Restaurant ausgeschaltet, und das Personal ging nach Hause. Die Nacht draußen vor den Panoramafenstern war schwarz. Nur einige Lampen an den Wänden warfen noch mattes Licht in den Raum. Da niemand die Klimaanlage regelte, wurde es am frühen Morgen ziemlich kühl im Restaurant, und die meisten der Brigadisten begannen zu frieren. Mitten in der Karibik. Keiner hatte wärmende Kleidungsstücke im Handgepäck, denn alle waren auf Hitze eingestellt. Und auf Regen. Denn in den Bergen an Nicaraguas Grenze zu Costa Rica sollte es zu dieser Jahreszeit viel regnen.
    Irgendwann morgens, bevor es hell wurde, flackerte dann die Restaurantbeleuchtung wieder auf, und nach einiger Zeit gab es frischen und sehr heißen Kaffee am Tresen des Restaurants. Langsam erschien die Sonne am Horizont, und nach kurzer Zeit hatte der Raum wieder eine angenehme Temperatur. Zu essen gab es noch nichts, da die Lieferanten noch nicht eingetroffen waren, wie eine freundliche Bedienung erklärte. Aber darauf konnten sie auch nicht mehr warten. Eine kleine, dicke Afrokubanerin in einer zu eng sitzenden Uniform war erschienen und verkündete, dass in kurzer Zeit die Maschine nach Managua bereitstehen würde und alle Brigadisten ihr folgen sollten. Sie wurden wieder in einen engen Raum gebracht, dessen einzige verglaste Seite zum Rollfeld des Flughafens
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