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Wildes Herz

Titel: Wildes Herz
Autoren: Elizabeth Lowell
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Räume, die Janna durchschritt, waren mit Möbeln aus England und Frankreich eingerichtet. Sie kamen mit dem Schiff über den Ozean. Die Teppiche stammten aus China. Janna beachtete die elegante Einrichtung kaum. Sie warf auch keinen Blick auf die kristallenen Leuchter, in denen sich das Kerzenlicht spiegelte. Im Geist war sie in ihrem gehei-men Tal, wo Ty ihr lächelnd und mit einem Blick voller Liebe die Arme entgegenstreckte.
    In dem raschelnden Seidenkleid, das die natürliche Anmut ihrer Bewegungen unterstrich, ging Janna durch den Raum, brachte das Begrüßungsritual hinter sich und tauschte belanglose Höflichkeiten mit den Gästen aus. Sie wurde wegen ihrer unaufdringlichen Schönheit umschwärmt und auch, weil in einem rauen Land die Männer nach allem hungerten, das weich und zart war. Janna war wie der Rubin zwischen ihren Brüsten, durchsichtig und geheimnisvoll, strahlend und samtig dunkel, von flammender Schönheit, aber kühl an der Oberfläche. Als die Violinen zu spielen begannen, tanzte sie mit verschiedenen Männern von benachbarten Viehfarmen. Das Tanzen hatte ihr Silver in den vergangenen Wochen beigebracht. Die Männer waren Adelige und Bürgerliche. Ein Interesse einte sie alle: Janna - und alle teilten sie das Los, von ihr kaum beachtet zu werden.
    „Darf ich um diesen Tanz bitten?“
    Janna verbarg ihren Schrecken und starrte auf den Mann vor sich. Er stand im gleißenden Kerzenschein vor dem Büfett. Jannas Herz setzte einen Schlag aus, weil sie glaubte, Ty sei zurückgekehrt. Dann erkannte sie, dass der vertraute breitschultrige Umriss zu Case gehörte.
    „Ja, natürlich“, sagte sie und nahm die angebotene Hand.
    Augenblicke später drehte Janna sich zu den getragenen Tönen eines Walzers. Silver saß am Klavier und spielte. Die Musik war kultiviert und melodisch, ein kunstvoll gewebter Klangteppich, der sich über die finstere Nacht in der Wildnis breitete. Case tanzte mit geschmeidiger Sicherheit.
    „Ich habe Sie beobachtet“, sagte er.
    Janna hob den Kopf und blickte in seine blassgrünen Augen. „Das ist nicht nötig. Ich habe Ihnen mein Wort gegeben, und das werde ich halten.“
    Er nickte. „Darum habe ich mir keine Sorgen gemacht. Ich hatte nur die Befürchtung, Sie könnten die höflichen Schmeicheleien ernst nehmen, die Silvers Cousins und deren Gäste in Ihre Ohren raunen.“
    Sie verzog den Mund zu einem halben Lächeln und schüttelte den Kopf. „Ich weiß, was ich bin und was nicht“, antwortete sie heiser. „Ich bin nicht die schönste Blume, die je im Westen erblüht ist, oder was sie sonst noch sagen. Und ich bin keine Närrin. Ich weiß, was Männer sich erhoffen, wenn sie einer Frau Komplimente machen.“
    Sie begegnete Cases Blick. „Ihr Bruder hat mich nie belogen“, verkündete sie ruhig. „Nicht einmal in dieser Sache. Er war ziemlich deutlich und hat gesagt, meine weiblichen Reize seien... bescheiden.“
    Case sah den stolzen, unglücklichen Zug um Jannas Mund. „Das klingt nicht wie Ty. Seine Redeweise war immer blumig und ließ die Männer in seiner Umgebung vor Neid erblassen.“
    „Blumen und Seide gehören zusammen.“
    „Sie waren nicht in Seide gekleidet. Deshalb hat er auch die Blumen weggelassen und ist gleich zur Sache gekommen. Wollten Sie das sagen?“
    Jannas Lider zuckten. Das war der einzige Hinweis auf den Schmerz, den sie fühlte. Doch Case nahm ihn wahr. Ty hatte sie gewarnt. Der beste Jäger unter den MacKenzies war Case. Seinem kühlen, leidenschaftslosen Blick entging nichts.
    „Nein, ich war nicht in Seide gekleidet“, erwiderte sie heiser.
    „Aber jetzt sind Sie es. Jetzt tragen Sie Seide.“
    Sie lächelte traurig und sagte nichts.
    Einer von Cousin Henrys Gästen bat darum, mit ihr tanzen zu dürfen. Sie versuchte, sich an seinen Namen zu erinnern. Vor ihrem inneren Auge erschien nur der hungrige Blick auf ihre Rubinbrosche und in das tiefe Dekollete. Janna betete darum, dass der Walzer schnell zu Ende ging und sie wieder frei war.
    „Sind alle Frauen im Westen so angenehm schweigsam?“
    Sie öffnete den Mund und wollte antworten. Außer einem verblüfften Ton kam nichts heraus. In diesem Augenblick brach der Walzer mit einer schrillen Dissonanz ab. Sie blickte zum Klavier hinüber, gerade rechtzeitig, um zu verfolgen, wie Silver von Logan umarmt und in die Luft gehoben wurde.
    „Sie sind zurück! “ rief Janna.
    Sie blickte hektisch um sich und erkannte unter den Gästen nur einen hoch gewachsenen Mann in grober
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