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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum
Autoren: Teresa Medeiros
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das wusste, meinte sie ihn beinahe zu spüren. Zusammengekauert. Todbringend. Erwartungsvoll.
    Sie schluckte, in dem vergeblichen Versuch die Erregung zu unterdrücken, die sich ihrer bemächtigte. Niemals hätte sie sich träumen lassen, dass ihr Wunsch nach Rache derart einfach erfüllt würde. Trotzdem klang ihre Stimme selbst in ihren Ohren zittrig, als sie sagte: »Sie müssen sofort den Sheriff holen, Sir. Ich bestehe darauf, dass er umgehend den Schurken hinter Schloss und Riegel bringt.«
    Der Cowboy kratzte sich den kahlen Schädel und sagte ausweichend: »Uh, Miss, der Sheriff is’ schon seit heute Morgen im Saloon.«
    Esmeralda blinzelte verwirrt. »Und was, bitte, macht er dort?«
    »Wahrscheinlich spielt er Poker. Das machen er un’ Billy inzwischen seit fast drei Jahren ziemlich regelmäßig.«
    Ungläubig riss sie die Augen auf, rang empört nach Luft und sah sich hektisch um. Einziger Lohn für ihre Mühe war der höfliche Gruß eines vorübergehenden typischen Buchhalters. »Was für ein Ort ist dieses Calamity? Die Leute hier sehen doch sicher nicht einfach tatenlos zu, wie sich ihr Sheriff mit Gesetzlosen vergnügt!«
    »Ach, seien Sie Sheriff McGuire gegenüber doch bitte nich’ so streng! Er würde Billy ganz bestimmt verhaften, wenn er wüsste, dass das was nützt. Aber unser Gefängnis reicht für einen Kerl wie ihn nich’ aus. Bevor der Marshall käme, um ihn zur Verhandlung nach Santa Fe zu bringen, hätten seine Brüder ihn längst mit einer Stange Dynamit aus
seiner Zelle rausgebombt. Sehen Sie, Miss, Billys Brüder sin’ alle Gesetzlose, jeder Einzelne, bis auf den letzten Mann! Un’ Sie wollen sich doch sicher nicht mit den Darling-Jungen anlegen. Die ham eine echte Schwäche für Billy, weil er schließlich das Baby is’ in der Familie.«
    Esmeralda knirschte mit den Zähnen, denn es fiel ihr schwer, einen kaltblütigen Killer wie Billy Darling als irgendjemandes Baby zu sehen. Wie sooft in den letzten Monaten tauchte das Gesicht ihres eigenen Bruders vor ihr auf - seine bleichen, eingefallenen Wangen, die sandfarbenen Haare blutgetränkt, das unternehmungslustige Blitzen seiner Augen vom eisigen, schwarzen Hauch des Todes getrübt.
    Plötzlich erfasste Esmeralda eine seltsame, gefährliche Ruhe. Sie tastete nach dem schlanken Gegenstand in ihrer Handtasche und wandte sich zum Gehen.
    Als sie vom Bürgersteig auf die staubige Straße trat, rief der Cowboy ihr nach: »Miss! Oh, Miss, Ihre Truhe steht noch hier.«
    »Passen Sie für mich darauf auf«, wies sie ihn an, während sie mit zusammengekniffenen Augen zur Saloontür hinüberschaute. »Ich bin gleich wieder da.«
     
    Esmeralda Fines Ankunft in Calamity erregte einiges Aufsehen. Auch wenn sich die Stadtbewohner daran gewöhnt hatten, dass einmal im Monat an einem öden Freitagnachmittag die Postkutsche bei ihnen hielt, kam es kaum vor, dass tatsächlich jemand ausstieg. Und vor allem keine schlanke, hübsche Dame in einem Rüschenkleid, mit einem kecken Hütchen auf dem Kopf, das die Provinzler in Calamity für den letzten Schrei hielten.
    Als Esmeralda ohne Rücksicht auf ihre hochhackigen Lederstiefel die staubige Straße betrat, spähten die Frauen zwischen
den Vorhängen hindurch und die Kinder strömten aus den Gassen. Da nun deutlich wurde, dass sie in Richtung des Deadwood Saloons ging, kamen die Ladenbesitzer aus ihren leeren Geschäften, fegten die Straße und tauschten neugierige und gleichzeitig argwöhnische Blicke.
    Ihnen allen entfuhr ein kollektiver Seufzer der Erleichterung, als Esmeralda, offensichtlich in Erkenntnis ihres Irrtums, vor der Saloontür stehen blieb. Keine echte Lady träte je über die Schwelle eines solchen Etablissements. Die Leute nickten einander befriedigt zu, denn ihr Vertrauen in die angeborene weibliche Vornehmheit war wiederhergestellt.
    Bis die junge Dame die Schultern straffte, die Schwingtür aufstieß und im Inneren der Bar verschwand.
    Der plötzliche Wechsel vom Sonnenlicht ins Halbdunkel machte Esmeralda beinah blind. Lange Schatten im Inneren des Saloons tauchten alles in ein schmutzig dunkles Grau. Die Fenster ließen gerade so viel Licht herein, dass man helle Staubflocken über den Tischen schweben sah. Als sich Esmeraldas Augen langsam an das Halbdunkel gewöhnten, stürmten eine Reihe verschiedenster Bilder auf sie ein.
    Eine grell geschminkte Frau saß rücklings auf einem Stuhl vor dem Klavier und hämmerte mit ihren leuchtend roten Fingernägeln auf die Tasten. Hinter
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