Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wild Eyes - mit dem Wind um die Welt - mit 16 allein auf dem Meer

Wild Eyes - mit dem Wind um die Welt - mit 16 allein auf dem Meer

Titel: Wild Eyes - mit dem Wind um die Welt - mit 16 allein auf dem Meer
Autoren: Brunnen Verlag , Lynn Vincent
Vom Netzwerk:
meine Angst. Mit klammen Fingern löste ich den schwarzen Karabinerverschluss von meinem Sicherheitsgurt und bekam die Reling zu fassen.
    Mit beiden Händen fest ans Geländer geklammert, arbeitete ich mich Schritt für Schritt übers Seitendeck vor. Wellen spülten über mich hinweg. Die
Wild Eyes
rollte heftig in der wogenden See. Manchmal waren die zwischen den Verstrebungen gespannten Sicherheitsleinen der einzige Halt für meine Füße. Sie waren nicht für solche Drahtseilakte konstruiert und bogen sich unter meinem Gewicht.
    Endlich war ich beim Cockpit angekommen. Mit einer Hand griff ich nach der Strebe des Vordachs, mit der anderen nach dem Rand des Daches. Dann zog ich mich mit aller Kraft ins Cockpit.
    Aber noch war es nicht geschafft. Mit einer raschen Bewegung war ich an der Ruderpinne. Zum Glück lag das Ruder noch tief genug im Wasser, sodass ich das Boot steuern und wieder auf Kurs bringen konnte. Dann startete ich den Autopiloten neu. Die
Wild Eyes
richtete sich auf und nahm Fahrt auf, bis ihr Kiel wieder gleichmäßig die eisige Schwärze durchschnitt.
    Aber ich konnte mich immer noch nicht zurücklehnen. Ich musste den Sicherheitsgurt wieder einklinken und dann das Großsegel zu Ende bergen. Diesmal ließ mich der Autopilot nicht im Stich. Bei einer Windgeschwindigkeit von vierzig Knoten schlug das störrische Segel wie wild hin und her, doch irgendwann hatte ich es unten.
    Endlich war an Bord wieder alles klar. Ich klinkte mich aus, ging nach unten und setzte mich erst mal an den Kartentisch. Langsam kam ich zu mir und mein Gehirn begann, die Information zu verarbeiten, dass ich soeben knapp dem Tod entgangen war. Ich zitterte noch Stunden später.
    Mitte April spielte meine Selbststeueranlage schon wieder verrückt. Seit Kap Hoorn hatte ich nur noch einen funktionierenden Autopiloten, plus ein paar Ersatzteile. Aber das widerspenstige Ding machte ständig neue Probleme. So wie am 22. April. Ich probierte alle möglichen Tricks, um es zum Laufen zu bringen, doch nach einem Reset sprang es einfach nicht mehr an. Ich hörte, wie der Rudermechanismus ins Leere lief. Die Pinne war lose und das Boot ließ sich mit eingeschaltetem Autopiloten von Hand steuern.
    Wenn ich nun die ganze Strecke über den Atlantik, die noch vor mir lag, von Hand steuern musste? Wie sollte ich dann schlafen? Kein angenehmer Gedanke. Schließlich gelang es mir, die Hydraulikanlage des Hauptautopiloten mit dem Steuergerät des Back-up-Autopiloten zu verbinden. Und tatsächlich – es funktionierte!
    Wegen der Probleme mit der Autopilot-Anlage hatte mein Support-Team schon vorgeschlagen, dass ich Kapstadt anlaufen und die Anlage dort reparieren lassen sollte. Die Entscheidung lag bei mir, doch ich schob sie immer noch vor mir her. Warum sollte ich in Südafrika vor Anker gehen, wenn ich es vielleicht bis nach Australien schaffen konnte?
    Außerdem kam ich gerade so gut voran. Die
Wild Eyes
machte richtig Fahrt und ihr Bug glitt geschmeidig durch die Wellen. Ja, ich hatte Probleme mit der Technik. Und ich hatte gefährliche Situationen hinter mir, aber es war alles gut gegangen. Letztendlich hatte ich alles immer wieder in den Griff bekommen. Ich war seit drei Monaten allein auf See und wollte nicht an Land gehen.
    Und trotzdem – bei all meinem Abenteuergeist und ungebrochenen Willen schlichen sich hin und wieder Gedanken ein wie „Das Boot sollte vielleicht wirklich mal überholt werden“ oder „Es ist nicht lustig, mit einem Autopiloten zu segeln, der immer wieder aussteigt“. Der Autopilot war ein echtes Problem. Niemand wusste genau, warum er mal funktionierte und mal nicht und wo der eigentliche Fehler lag.
    Während ich Kurs auf Südafrika nahm, tobte in meinem Inneren ein Kampf zwischen Herz und Verstand. Das Herz wollte um jeden Preis weitersegeln, denn mit einem Zwischenaufenthalt in Kapstadt konnte ich meinen „Nonstop“-Rekord vergessen. Aber mein Verstand sagte mir:
Weitersegeln ist zu riskant. Nach Kap Agulhas liegt der ganze Indische Ozean vor dir, und wenn dann der Autopilot ausfällt – gute Nacht
.
    Der zerklüftete Küstenabschnitt von Kap Agulhas (wörtlich „Nadelkap“) ist der südlichste Punkt Afrikas. Dort steht ein Leuchtturm in den klassischen Farben Rot-Weiß und eine Gedenktafel, die auf die offizielle Trennungslinie zwischen dem Indischen und Atlantischen Ozean hinweist. Ich würde das Kap Agulhas nach dem Kap der Guten Hoffnung passieren. Die Gewässer vor Kap Agulhas können so
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher