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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar
Autoren: Joe Schreiber
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groß für mich. Sie war so ein Mädchen, über das man Lieder schreibt. Sie war zweiundzwanzig und ich war achtzehn.
    Aber wie meine bisherige Geschichte zeigt, neige ich schon seit jeher eher zu älteren Frauen.

3
    »Is There Something I Should Know?«
    – Duran Duran

    Und wies mit sex????
    Ich schaute auf das Display meines iPhones und wusste sofort, dass die Nachricht von Norrie war. Er war der Einzige, der mir regelmäßig SMS schrieb, obwohl wir uns praktisch jeden Tag im Übungsraum sahen. Alle anderen – sogar Sasha, unser Lead-Sänger, und Caleb, unser Gitarrist – riefen einfach an.

    Einfach genial, tippte ich.
    wie gnial?
    Tantrisch.

    Eine lange Pause, dann:

    Du biss immr noch nict soweit, ws?

    »Wem schreibst du da?«, fragte Paula vom Fahrersitz rüber.
    Ich stellte das Handy aus und schob es in die Tasche. »Norrie.«
    »Hast du es ihm schon gesagt?«
    »Ich habe ihm gesagt, dass sich die Band in einer Stunde bei mir zu Hause trifft. Ich will ihn überraschen. Es seidenn, Linus hat schon mit ihnen gequatscht.« Linus Feldman war unser Manager, ein neunzig Kilo schwerer, einssechzig großer jüdischer Tsunami, der irgendwann letzten Sommer aus der Wildnis von Staten Island zu uns herübergeweht kam. Er war noch ein Manager der alten Schule, ein vernarbter Veteran mindestens eines Dutzends legendärer Manager-Teams aus den Go-Go-Achtzigern, als der Rock’n’Roll allem Anschein nach jede Woche neue Millionäre hervorbrachte. Sobald er aus dem Quasi-Altenteil zurückgekehrt war, um sich für Inchworm einzusetzen, wartete er förmlich auf jemanden, der versuchte, uns auszunutzen, damit er ihm auf der Stelle den Kopf abreißen konnte. Zu seiner großen Enttäuschung waren wir bis jetzt mit nie dagewesener Fairness und außerordentlichem Respekt behandelt worden.
    »Ich weiß nicht, ob Linus von dieser Idee sehr begeistert ist.«
    »Eine Europa-Tour? Warum sollte er davon nicht begeistert sein?«
    »Er hat seine eigenen Pläne mit der Band«, erwiderte Paula. »Aber wir werden ja sehen.«
    Sie blinkte links und bog vom Strand in die zweispurige Landstraße ein. Während jeder von uns in seine eigenen Gedanken versunken war, sah ich das Meer im Rückspiegel immer kleiner werden.
    Ich schaute nach, ob ich eine neue SMS bekommen hatte, aber die letzte war die von Norrie, in der er mir vorwarf, immer noch nicht mit Paula geschlafen zu haben. Leider hatte er recht damit. Paula und ich hatten Stunden auf der Couch verbracht und uns geküsst, bis die Lippen taub wurden, und wir hatten auch jede Menge anderer Sachengemacht, eigentlich so ziemlich alles, was man so machen konnte – nur die Tat selbst blieb bis jetzt ungetan.
    Es war eindeutig nicht Paulas Schuld. Sie hatte von Anfang an deutlich gemacht, dass sie bereit dafür sei, sobald ich so weit war. Damit hatte ich wohl die dümmste Abmachung aller Zeiten getroffen. Die ganze Highschool-Zeit hindurch hatte ich an kaum etwas anderes gedacht als den Tag, an dem ich das Problem mit der Jungfräulichkeit endlich loswerden würde. Und jetzt hatte ich Paula mit ihrem unglaublich tollen Gesicht, dem heißen Körper – eine erfahrene Frau, keine Frage –, die geduldig darauf wartete, mir alles beizubringen, damit ich nicht die üblichen Verrenkungen des Ententanzes zur sexuellen Initiation anstellen musste, wie sie noch in der Generation meiner Eltern üblich war, inklusive der Decodierung der Texte schlechter Hair-Metal-Power-Balladen als unser Kamasutra. Was genau sagte man einem Mädchen, das einen die ganze Nacht gerockt hatte? Und war das »jemanden mit Zucker übergießen« wirklich so klebrig, wie es sich anhörte?
    Wir waren eine aufgeklärte Generation. Mein koreanischer Freund Chow hatte es schon in der zehnten Klasse mit seiner Freundin gemacht, Sasha und Caleb hatten noch nie Probleme gehabt, zum Ziel zu kommen (»Alter«, hatte Sasha mir einmal mit absoluter Offenheit gesagt, »was glaubst du, warum wir in einer Band spielen?«), und sogar Norrie hörte sich an, als könne er sich in dieser Hinsicht bei seiner derzeitigen Freundin nicht beklagen. Nur ich stand wie gelähmt an der Startlinie und wartete. Worauf eigentlich? Auf die wahre Liebe? Ein Zeichen Gottes? Ein langes Wochenende in Paris?
    Ich brauchte dringend eine Therapie, am besten gleichzwei oder drei. Inzwischen fragte ich mich, ob es vielleicht Gruppentreffen für Anonyme Jungfrauen in irgendwelchen Kirchenkellerräumen gab oder zumindest einen Kult im südlichen Connecticut,
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