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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben
Autoren: Sandra Maischenberger
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öffentliche Ansehen. Es muss deutlich werden, dass es bei der Pflege nicht nur um körperliche Aktivitäten wie Waschen und Füttern
geht, sondern auch um menschliche Zuwendung. Und natürlich muss die Zahl derer, die sich hier an Ort und Stelle diesem Beruf zuwenden, zunehmen. Ohne die bei anderen Gelegenheiten immer wieder verteufelten Zuwanderer wäre die Situation übrigens noch kritischer. Das Ganze erfordert natürlich einen höheren finanziellen Aufwand. An dieser Stelle ist für mich wieder der Gedanke der Bürgerversicherung wichtig. Ebenfalls sollten wir uns vor Augen halten, dass der Anteil der Sozialausgaben am Gesamtbruttosozialprodukt trotz der Alterung unserer Gesellschaft nach einer Erhebung der OECD nicht gewachsen, sondern gleich geblieben ist. Also könnte man steuerliche Mittel in höherem Umfang als bisher in diesen Bereich lenken. Weiterhin muss man die Menschen an ihre Eigenverantwortung für ihre Altersvorsorge erinnern. Und der Staat fördert diese Vorsorge ja schon jetzt. Stichworte »Riester-Rente« und »Rürup-Verträge«.
    Â 
    Wie wollen wir in Zukunft leben? Was wären da Ihre Kriterien?
    Â 
    Das sind zunächst einmal die Kriterien, die sich aus der Wertordnung und dem Menschenbild unseres Grundgesetzes ergeben und über die wir ja schon gesprochen haben. Also beispielsweise die Freiheit und die Gerechtigkeit. Wir wollen und sollen in Freiheit leben. Dabei geht es nicht nur um die Freiheit »wovon«, sondern auch um die Freiheit »wozu«. Und wir wollen, dass wir gerecht behandelt werden.
    Ich füge aber noch einige ganz konkrete Elemente hinzu. Sie lauten: in Frieden leben, eine sinnvolle Arbeit haben, von der man existieren kann und die einem Selbstbewusstsein gibt, vor Kriminalität und Gewalt sicher sein, gesund sein und bis ins Alter bleiben, in einer intakten Familie und seiner sozialen Umgebung Geborgenheit finden. Und sich selbst für seine Mitmenschen und das Gemeinwesen engagieren.
    Â 
    Wohlstand für alle habe ich jetzt nicht gehört.
    Â 
    Der ergibt sich, wenn alle arbeitsfähigen Menschen wirklich Arbeit haben und vom Ertrag ihrer Arbeit leben und sogar etwas zurücklegen können.

    Â 
    Sie sind ein Anhänger der Idee des Grundeinkommens?
    Â 
    Nein, das bin ich nicht. Ich bin ein Anhänger der Grundsicherung für diejenigen, die bestimmte Lebenslagen nicht aus eigener Kraft meistern können. Aber dass jeder Mann, jede Frau einfach einen Grundbetrag bekommt, der zum Leben ausreicht, und dann frei entscheiden kann, ob er arbeitet oder ob er nicht arbeitet – das ist mit meinen Vorstellungen von einem sinnvollen Leben und einer sinnvollen Sozialordnung nicht vereinbar. Außerdem: Wie soll ein derartiges Grundeinkommen eigentlich finanziert werden?
    Â 
    Sie haben in unseren Gesprächen auch die Grenzen des Wachstums angesprochen. Wenn man diese und die Klimakatastrophe zusammen sieht – glauben Sie, dass wir in Zukunft auf einen Teil unseres Wohlstands verzichten müssen? Bisher heißt es nur, wir müssen gar nicht verzichten, wir dürfen nur nicht weiter wachsen. Aber müssen wir vielleicht doch Verzicht üben? Wäre es an der Zeit, das einmal zu sagen?
    Â 
    Schon mit den Auswirkungen der Klimaentwicklung sind Grenzen erreicht worden, die Verzichte verlangen. Inwieweit wir in der Lage sein werden, durch technische Anstrengungen für diese Ausgleiche zu schaffen – Stichworte »Effizienzsteigerung«, »erneuerbare Energien« oder »Elektromobil« –, bleibt abzuwarten. Verzichte können auch dadurch notwendig werden, dass Schwellenländer ihren Lebensstandard an den unseren angleichen. Etwa die Zahl der Autos pro hunderttausend Einwohner auf unseren Stand erhöhen. Da wird es letzten Endes um einen globalen Ausgleich gehen, bei dem zugleich die Klimabelastung sinkt. Eine Herkulesaufgabe!
    Â 
    Sie haben die Hitlerdiktatur erlebt, den Krieg und das Nachkriegsdeutschland, dennoch habe ich das Gefühl, Sie können auf ein erfülltes und ein sinnvoll geführtes Leben zurückblicken. Wird ein junger Mensch heute, mit einer ähnlich langen Lebensspanne, es schwerer haben als Sie?
    Â 
    Er wird es mit anderen Voraussetzungen und anderen Herausforderungen zu tun haben als ich. Unsere waren nach 1945 zunächst ganz elementar. Ich würde ihm sagen: »Schau, die zwei Generationen
vor dir sind in einer Art und Weise mit
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