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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben
Autoren: Sandra Maischenberger
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Krankheiten ertragen. Als sie nach achtundfünfzig Ehejahren gemeinsam den Freitod wählten, waren beide dreiundachtzig. Dazu mussten sie in die Schweiz fahren, weil es in Deutschland keine solche Organisation gibt. Finden Sie das richtig?
    Â 
    Ja. Das entspricht unserem rechtlichen Zustand. Und das Ganze auch noch zum Gegenstand von Kommerz zu machen – die Betreiber dieser Schweizer Sterbehilfeunternehmung tun das ja
nicht unentgeltlich –, entspricht erst recht nicht meinen Vorstellungen. Aus diesem Grund möchte ich nicht, dass es in der Bundesrepublik Geschäftsunternehmen gibt, die Leute auf deren Wunsch töten.
    Â 
    Das verstehe ich. Aber wenn ein schwerkrankes und verzweifeltes Paar keine andere Möglichkeit sieht und alle beide nicht ihrer Familie zur Last fallen wollen, dann macht man doch erst die Tür auf für kommerzielle Anbieter …
    Â 
    Was heißt denn zur Last fallen wollen? Ist das Paar Brauchitsch von seinen Angehörigen gepflegt worden?
    Â 
    Frau von Brauchitsch litt an stark fortgeschrittenem Parkinson, Herr von Brauchitsch an einem Emphysem, einer Überblähung der Lunge durch Luft. Beide haben, so beschrieb es die Familie, ihr Leiden über Jahre ertragen, dann konnten sie nicht mehr.
    Â 
    Dennoch: Ich bin gegen Sterbehilfeorganisationen. Insbesondere der kommerzielle Gesichtspunkt ist für mich inakzeptabel. Dass Leute Geld verdienen, indem sie anderen bei der Tötung behilflich sind … Nochmals: Das akzeptiere ich nicht.
    Â 
    Ã„rzte darum zu bitten, ist auch keine Möglichkeit, sie würden sich strafbar machen. Es gibt keinen Ausweg für jemanden, der in Deutschland einen sucht. Was würden Sie empfehlen?
    Â 
    Wenn der Arzt den Kranken entsprechende Medikamente zur Verfügung stellt und der Betreffende sie aus eigenem Entschluss zu sich nimmt und dadurch stirbt, so handelt der Mediziner nicht strafbar. Aber unabhängig davon geht es um die berufsethische Frage: Ist es die Aufgabe des Arztes zu heilen oder soll er auch bei Tötungen mitwirken?
    Â 
    Sie haben ein Unwohlsein dabei?
    Â 
    Ich stimme der Entschließung der Mitgliederversammlung der Bundesärztekammer zu. Im April 2011 sagte Kammerpräsident Dr. Theodor Windhorst: »Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht den ethischen Grundsätzen unseres ärztlichen Selbstverständnisses.«

    Â 
    Das Ehepaar von Brauchitsch hätte im Prinzip sein Leid weiter ertragen sollen?
    Â 
    Ich kenne die genauen Umstände nicht und will mir deshalb in diesem Fall kein Urteil anmaßen. Aber unterschied sich ihre Lebenssituation wirklich von der, in der sich Tausende, ja Zehntausende von Menschen ihrer Generation befinden?
    Â 
    Ich wollte von Ihnen wissen, was Menschen machen können, wenn sie an einer nicht heilbaren Krankheit leiden, mit der Aussicht auf lange, möglicherweise nicht mehr bewusst erlebte Pflege?
    Â 
    Hier ist wieder eine Einladung fällig: Besuchen Sie mit mir das Sanatorium Schwindegg. Das ist eine Einrichtung des Augustinums, in der Menschen leben, die schwer an Demenz und Alzheimer erkrankt sind. Ich war selbst überrascht, welche Lebensfreude sie noch erkennen ließen. Es hilft, wenn man sich das mal selbst ansieht. Aber dass es durchaus Fälle gibt, die problematisch sind, das will ich nicht bestreiten. Und ich will auch meine Meinung nicht anderen einfach auferlegen.
    Â 
    Auch das kann ich verstehen. Die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, befürchtete im Mai 2011 einen Pflegenotstand für Deutschland. Man meinte, eine Warnung sei angebracht, denn hierzulande würden wir im Vergleich zu anderen OECD-Ländern – betrachtet man die Ausgaben, die wir für die Pflege von Menschen aufwenden – im unteren Drittel liegen. Auch die Zahl der Pflegekräfte sei bedauernswert gering, sie befinde sich ebenfalls im unteren Drittel. Ganz vorne rangieren demnach die skandinavischen Länder. Was muss denn passieren, damit wir ein menschenwürdiges Altern garantieren können? Gerade angesichts der Tatsache, dass wir immer älter werden? Wie können wir eine vorbildliche und bezahlbare Pflege für alle garantieren, die unter Demenz leiden ?
    Â 
    Zunächst einmal muss das gesellschaftliche Ansehen des Pflegeberufs deutlich steigen, etwa auf das skandinavische Niveau. Das betrifft zum einen die Vergütung, zum anderen aber das
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