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Wie wir gut zusammen leben

Wie wir gut zusammen leben

Titel: Wie wir gut zusammen leben
Autoren: Juergen Manemann
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    Politisches Handeln als gemeinwohlorientiertes Handeln muss den Bürgerinnen und Bürgern in der Gesellschaft unabhängig von ihrem Status zunächst einmal Güter bereitstellen, die ein jeder zum Überleben benötigt. Neben Nahrungsmitteln gehören dazu eine medizinische Grundversorgung, ein rechtlicher Schutz, der Sicherheit gewährt, eine Wohnung … Damit die Bürger aber auch selbst handlungsfähig sein können, bedarf es mehr zum Leben, als man zum Überleben braucht. Gemeinwohlorientiertes Handeln zielt auch auf ein gutes Leben. Dazu bedarf es bestimmter kultureller Voraussetzungen.
    Politik, die auf das Gemeinwohl zielt, versteht sich als Mitarbeit an den Bedingungen, die gegeben sein müssen, damit den vielen unterschiedlichen Gruppen in der Gesellschaft, aber auch jedem Einzelnen ein besseres Erreichen seiner Fähigkeiten und Hoffnungen ermöglicht wird. Politik bedeutet, mitzuarbeiten an der Schaffung eines gesellschaftlichen Zustandes, der sowohl dem allen gemeinsamen Wohl dient, als auch dem Einzelnen helfen kann, das, was er unter einem guten Leben versteht, zu erstreben. Zudem beinhaltet das Gemeinwohl eine Solidarität mit den zukünftigen Generationen. Auch ihnen gegenüber gilt es, so zu leben, dass sie später eine Welt vorfinden, in der auch ihnen die Güter des Gemeinwohls zur Verfügung stehen. Politik, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlt, weiß sowohl um die Gefahren eines Individualismus als auch um die Gefahren eines Kollektivismus. Gemeinwohlorientierte Politik ist die Suche nach einem Weg jenseits dieser Ideologien, nach Perspektiven, die das Ganze und die Teile, die Gesellschaft und die Individuen nicht gegeneinander ausspielen. Wer sich um das Gemeinwohl kümmert, der muss seine Wahrnehmung für die Interessen und Bedürfnisse des Nächsten schärfen. Der Nächste meint hier aber nicht ein Familienmitglied oder Verwandten, auch nicht den Nachbarn. Mit dem Nächsten ist derjenige gemeint, der auf meine Solidarität angewiesen ist. Der Blick auf das Gemeinwohl, auf das Wohl aller, verlangt deshalb insbesondere die Interessen von Minderheiten zu berücksichtigen und derjenigen, die überhaupt keine Lobby haben.
    Gemeinwohlorientierte Politik betrachtet Parteien nicht als Fraktionen, sondern als Teile eines Ganzen. Gegenüber dem Fraktionszwang erinnert sie unermüdlich an Art. 38 des Grundgesetzes:
    » (1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.«
    Aber auch die Bürgerinnen und Bürger haben Gemeinwohlpflichten. Zu diesen gehört die Pflicht, nur die Politiker zu wählen, die sich auch für das Gemeinwohl engagieren.

I V.

Politik wurzelt in der Verschiedenheit der Menschen.

A ristoteles definierte den Menschen als ein politisches Lebewesen. Das Politischsein des Menschen hebt sich von der Sozialität der Tiere dadurch ab, dass der Mensch sprach- und vernunftbegabt ist. Mit seiner Sprache kann der Mensch sich Vorstellungen vom Richtigen und Falschen, vom Gerechten und Ungerechten machen. Der Streit darüber ist der Motor der Politik. Es war die jüdische Denkerin Hannah Arendt (1906–1975), die an diese Bestimmungen anknüpfte, um dann allerdings neue Perspektiven aufzuzeigen. Für Arendt war klar, dass das Politischsein des Menschen nicht so zu verstehen ist, dass dem Menschen das Politischsein bereits von seiner Geburt an zukommt. Das Politischsein entsteht nämlich erst dadurch, dass Menschen anderen Menschen begegnen, die sich von ihnen unterscheiden. Dabei geht es nicht um Zweierbeziehungen. Eine partnerschaftliche Beziehung zwischen zwei Menschen, die sich lieben, basiert nicht auf einem fairen Umgang miteinander, sondern darauf, dass der eine für den anderen mehr zu geben bereit ist, als dieser verlangen kann. Politische Beziehungen hingegen unterscheiden sich von sozialen Beziehungen dadurch, dass ein Dritter mit seinen Interessen die Zweierbeziehung aufbricht und ebenfalls Ansprüche stellt. Wer Politik treibt, der kann sich den Ansprüchen Dritter nichtverschließen. Er muss Maßstäbe entwickeln für Problemlösungen, die auf Fairness beruhen.
    Das Politischsein des Menschen entsteht also erst in einem solchen Raum der Begegnung, in dem unterschiedliche Ansprüche von Menschen gleichzeitig anzutreffen sind. Politik ist deshalb nicht etwas, das in uns ist, sondern
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