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Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Titel: Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
Autoren: Maike Maja Nowak
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auf der anderen Seite aufgrund unzureichender Gesetze nur ganz wenigen Tieren helfen, die unter unzumutbaren Verhältnissen in deutschen Haushalten leben, ohne sich strafbar zu machen?
    Warum ist so wenig bekannt darüber, dass auch Hunde – ähnlich wie wir Menschen – Ängste, Süchte und Traumata zeigen, und warum gibt es bislang so wenig therapeutische Ansätze für sie?
    Ich danke den Protagonisten meines Buches dafür, dass sie mir erlauben abzubilden, wie wir alle leben.
    Maike Maja Nowak

Rette sich, wer kann
    Eingeschneit
    Die Reifen meines Geländewagens fräsen sich einen Weg durch den unberührten Schnee. Vor einer der kleineren Villen im Grunewald halte ich. Ich arbeite mich, bis zu den Knöcheln im Schnee versinkend, zum Tor der Villa vor. Während meine Hände nach der Klingel tasten, bleibt mein Blick an der Statue eines riesigen, würdevollen Hundes im Garten hängen, die fast im Weiß verschwunden ist.
    Meine Finger finden den Klingelknopf. Kaum habe ich ihn berührt, ertönt schon der Summer. Ein wohl vor Kurzem freigeschippter und bereits fast wieder zugeschneiter Pfad führt zum Haus. Um die etwas weiter entfernte Hundestatue näher zu betrachten, beuge ich mich so weit nach vorn, wie es meine Balance zulässt. Der Ausdruck der Statue wirkt aus dieser Perspektive nicht mehr ruhig, sondern abweisend und seltsam verschlossen. Ich meine jedoch, ein lebendiges Glänzen in den Pupillen zu erkennen, und stelle mich hoch auf die Zehenspitzen, um mich noch weiter nach vorne beugen zu können. Im selben Moment rutsche ich aus und kippe vornüber in den Schnee.
    Als ich mich hochrappeln will, spüre ich etwas Heißes über mir. Ich drehe mich um und blicke auf die Schnauze eines Hundes, der mir mit großer Gelassenheit seinen warmen Atem entgegenbläst. Er ist, soweit ich unter all dem Schnee erkennen kann, ein riesiger Herdenschutzhund. Obwohl seine Schnauze auf mich gerichtet ist, bleibt sein Blick abgewandt. Ich muss nicht zu der Statue schauen, um mich zu vergewissern, dass sie verschwunden ist.
    Der Hund steht ruhig über mir und wartet. Im selben Moment höre ich, wie sich eine Tür öffnet. Ein Mann ruft: »Komme gleich, ich bekomme die Stiefel nicht an!«
    Der Hund verharrt währenddessen weiter über mir und jeder, der schon einmal einen Herdenschutzhund im Einsatz erlebt hat, weiß, warum auch ich ruhig liegen bleibe. Aus meiner Perspektive sehe ich nur zwei Gummistiefel auf mich zukommen, in denen braune Cordhosen stecken.
    Ich höre, wie ein Karabiner in das Halsband des Hundes klickt. Sein Kopf wird nach hinten gezogen. »Kommst du runter, aber dalli!« Der Mann reißt hart und ruckartig an der Leine. Die Lefzen des Hundes heben sich und sein Kopf wendet sich drohend in Richtung des Mannes.
    »Würden Sie bitte ruhig bleiben«, sage ich, unter dem Hund hervorblickend. »Das ist gerade nicht ganz ungefährlich.«
    »Aber der hört ja sonst nicht«, antwortet der Mann. »Den muss man immer erst anbrüllen. Das ist es ja.«
    Ich kläre ihn nicht darüber auf, um wen ich Angst habe, und versuche es dieses Mal mit Nachdruck: »Es wäre gut, wenn Sie zurücktreten und den Hund ruhig rufen!«
    Tatsächlich entfernen sich die Gummistiefel und kurz darauf höre ich den Mann etwas weniger zackig sagen: »Henry! Zurück da!« Der Hund dreht sich zu dem Mann um, in seinem Blick liegt ein Zögern. Das plötzliche Ablassen des Mannes scheint ihn zu überraschen. Er tritt gemächlich nach hinten und geht zur Seite weg. Ein kleiner, schlanker, weißhaariger Herr taucht in meinem Blickfeld auf und beugt sich über mich, um mir aufzuhelfen. Ich rappele mich hoch und klopfe mir den Schnee ab: »Das wäre eine tolle Schlagzeile geworden: Hundetrainerin von Hund im Schnee begraben. Es hätte mir jedoch geholfen, vorher zu wissen, dass er bereits im Garten ist und es sich um einen Herdenschutzhund handelt.«
    Der alte Herr schaut mich mit großen Augen an: »Ein Herdenschutzhund? Uns wurde gesagt, es ist ein reinrassiger Mastin Español. Wir wollten nämlich was Reinrassiges.«
    Nun werden meine Augen groß: »Aber das sind doch Herdenschutzhunde!«, sage ich und weise dabei auf den ungefähr achtzig Kilo schweren und etwa fünfundsiebzig Zentimeter hohen Hund. Er wirkt bullig und bärenstark. Sein Fell ist sandfarben, mit einer schwarzen Fellfärbung im Gesicht. »Ich staune, dass er mich nicht verwarnt hat, als ich hereinkam, und auch nicht aufstand, als ich Ihr Grundstück betreten habe«, füge ich hinzu.
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