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Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Titel: Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
Autoren: Maike Maja Nowak
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»Das ist sehr untypisch für diese Rasse.«
    Der alte Herr hebt seine rechte Hand und antwortet mit einer wegwerfenden Bewegung: »Dieser Hund ist entweder total apathisch oder aggressiv. Irgendetwas in der Mitte haben wir bei ihm noch nicht erlebt.«
    Ich blicke auf den Hund, der sich wieder in den Schnee gelegt hat und von uns wegsieht. Auf mich wirkt er weder apathisch noch aggressiv. Ich habe eher den Eindruck, dass er einfach nichts mit uns zu tun haben will.
    »Wo bleibst du denn mit Frau Nowak?«, ruft in diesem Moment eine ältere Dame, die in der Haustür aufgetaucht ist. Sie ist klein und zierlich, und das Weiß ihrer Haare changiert ein wenig ins Lilafarbene.
    »Guten Tag. Endlich. Jetzt wird hoffentlich alles gut«, – mit diesen Worten schüttelt sie mir überschwänglich mit beiden Händen die rechte Hand. »Bitte treten Sie ein.«
    Sie geht voran und weist mir den Weg in das Wohnzimmer. Der Raum ist klein und wirkt mit seinen alten schweren Möbeln eng und dunkel. Nur die überall verteilten weißen Spitzendeckchen hellen die Atmosphäre etwas auf. Ich nehme in dem mir zugewiesenen Sessel Platz und versuche, die bisherigen Eindrücke zu verarbeiten: Ein desinteressiert wirkender Herdenschutzhund und zwei nette ältere Leute, die leider nicht wissen, was für einen Hund sie da haben …
    »Sie sagten ja bereits am Telefon, dass Sie sich mit Henry überfordert fühlen«, leite ich das Gespräch ein.
    »Ja«, ergreift der alte Herr sogleich das Wort.
    »Wir haben ihn über den Tierschutz bekommen. Er saß in einem spanischen Tierheim, nachdem er gerettet wurde. Wir wohnen ja so schön hier am Grunewald im Hundeauslaufgebiet. Aber dieser Hund weiß das überhaupt nicht zu schätzen. Wenn er ohne Leine läuft, rennt er weg. Also läuft er an der Leine, aber wir können ihn gar nicht mehr halten, seit er nun plötzlich auf andere Hunde losgeht. Meine Frau und ich sind sehr enttäuscht von ihm. Wir hätten mehr Dankbarkeit erwartet.«
    Der Mann stößt laut die Luft aus, als habe ihm diese Klage schon lange auf der Brust gelegen.
    Ich frage, um das Gesagte für mich zu sortieren: »Weshalb wurde er denn von Tierschützern gerettet?«
    »Na, weil er auf der Straße lebte«, erwidert der Mann mit großen Augen.
    »War er denn in Gefahr?«, frage ich nach.
    »Natürlich!« Empörung färbt plötzlich seine Stimme. »Schließlich kann der Hund ja überfahren werden oder Giftköder fressen, sagen die Tierschützer.«
    Ich nicke und schweige, weil ich spüre, dass es besser ist, seinen Bericht erst einmal nicht weiter mit meinen Fragen zu stören. Er erzählt mir daraufhin Folgendes:
    »Wir sind jetzt beide siebzig Jahre alt. Wir hatten immer Hunde, alle vom Züchter. Jetzt wollten wir einmal einem Hund, der noch kein gutes Leben hatte, ein schönes Heim bieten. Henry bekommt das beste Futter und hat ein schönes Hundesofa, auf dem er übrigens nicht schläft! Er kommt inzwischen gar nicht mehr ins Haus. Anfangs gingen wir mit ihm in den Grunewald, und er durfte dort auch frei laufen. Aber er rannte dann überallhin, und wir hatten mit unseren Rufen überhaupt keinen Einfluss auf ihn. Unsere anderen Hunde haben immer gehört. Henry bewegt nicht einmal die Ohren. Er ignoriert uns völlig. Also holten wir einen Hundetrainer. Der sagte uns, dass dieser Hund ein Dominanzproblem hat. Er versuchte, Henry auf den Rücken zu werfen, woraufhin Henry ihn in den Arm geschnappt hat. Es hat nicht geblutet, aber der Trainer hat das Training sofort beendet und gesagt, dass wir richtige Probleme mit so einem Hund bekommen werden. Zu der Zeit hat sich Henry aber noch mit allen Hunden verstanden, er war bei einer Begegnung die Ruhe selbst. Wir beschäftigten dann sofort einen neuen Trainer, und der arbeitete mit einem Vibrationshalsband. Damit sollte Henry lernen zurückzukommen, wenn wir ihn rufen. Da wir ja aus der Distanz keinen Einfluss haben, sollte das Halsband ihn bestrafen, wenn er nicht kommt.«
    »Ich wollte das nicht«, unterbricht die alte Dame ihren Mann. »So etwas macht man doch nicht mit einem Hund, hab ich ihm gesagt. Mit Fernbedienung.« Sie schüttelt den Kopf.
    »Ach Hermine, lass mich doch erzählen. Das haben wir doch schon so oft besprochen. Schlimm ist so eine Vibration nicht. Aber bewirkt hat das Ganze sowieso das Gegenteil. Gleich beim ersten Training begann Henry auf Hunde loszugehen. Wir konnten danach nur noch mit der Leine mit ihm laufen. Er zieht aber so schlimm daran.« Der Mann hebt beide Arme und
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