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Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Titel: Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
Autoren: Maike Maja Nowak
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wollen oder zu können.
    »Sie sind nicht schuld, dass dies geschehen ist«, sage ich und versuche damit, die Situation zu entspannen. »Sie haben sich Hilfe geholt und sich darauf verlassen, dass sie gut ist. Sie wollten ja etwas positiv verändern und konnten nicht wissen, was passiert.« Das Ehepaar atmet synchron aus. Die Stimmung hellt sich auf.
    »Lassen Sie uns doch schauen, wie es weitergehen kann«, schlage ich vor. Der Mann löst die verschränkten Arme und nickt. Die Frau beugt sich nach vorn.
    »Ja, so kann es nicht weitergehen«, bestätigt der Mann. »Schließlich wollten wir keinen Hund, der abgesondert im Garten lebt. Wir haben ja alles versucht.«
    »In Ihrem Sinne schon. Aber im Sinne des Hundes könnten Sie erst etwas tun, wenn Sie sein Wesen akzeptieren und wertschätzen.«
    »Wieso denn wertschätzen?«, fragt der Mann jetzt ungehalten. »Ein Hund hat zu hören! Ich kann doch nicht wertschätzen, dass er so einen sturen Kopf hat und knurrt, wenn man ihm sein Halsband ummachen will.«
    »Ich meine damit, dass Sie anerkennen, wie dieser Hund vorher lebte, als Leithund, mit einer Gruppe, frei. Er hat offenbar noch niemals Entscheidungen von Menschen akzeptieren müssen. Wenn Sie den Plan haben, ihn zu behalten, müssten Sie die mentale Kraft dieses Hundes verstehen und anerkennen und viel über Führung lernen. Die Führung eines Leithundes ist natürlich eine besondere Herausforderung, denn führen Sie einmal einen Führer. Hier ist viel Kooperation gefragt.«
    Der Mann beginnt unruhig hin und her zu rutschen. Die Frau atmet laut hörbar ein und wieder aus.
    »Aber führen kann doch nur der Mensch«, äußert der Mann sein Unverständnis.
    »Ich könnte Ihnen einmal mit Henry zeigen, was ich meine«, schlage ich vor.
    »Bitte.« Der Mann klingt verstimmt.
    Ich erhebe mich: »Gut, dann gehe ich zuerst einmal allein hinaus, ohne Sie, ja?«
    Das Ehepaar wirkt fast erleichtert über meinen Aufbruch.
    »Sie können aber gern am Fenster zusehen«, verabschiede ich mich nach draußen.
    Im Garten liegt der Hund noch immer bewegungslos im Schnee. Ich lehne mich ein paar Meter entfernt mit dem Rücken zu ihm an einen Baum. Ich möchte ihm signalisieren, dass ich seinen Distanzwunsch respektiere. Nach ein paar Minuten beginne ich umherzuschlendern und sehe aus den Augenwinkeln heraus, wie seine Nase sich schnüffelnd in meine Richtung bewegt. Etwas später höre ich Schritte im Schnee, dann taucht sein riesiger Hundekopf neben mir auf. Seine Nase bewegt sich gelassen an meinen Hosenbeinen auf und ab, und er nimmt ruhig die Gerüche auf, die ich an mir trage. Durch meine zahlreichen Kontakte mit Hunden rieche ich sicher wie »Tausendundeine Hundenacht«. Ich gebe ihm Zeit, mich kennenzulernen, und gehe dann wieder von ihm weg. Es ist eine sehr entspannte Stimmung zwischen uns.
    Ich beginne, Hirschwurst in die Rinde eines Baumes zu schieben, und lade ihn freundlich ein, sich das Ganze mit der Nase »anzusehen«. Ich zeige auf die betreffende Stelle und blicke ihn kurz an. Dieser Hinweis reicht für einen Hund, um ihn zu verstehen. Während ich zum nächsten Baum weitergehe, nähert Henry sich der von mir angezeigten Stelle. Seine Nase ist dabei hoch in die Luft gereckt. Die Köstlichkeit von meinem Frohnauer Hundefleischer scheint Wirkung zu zeigen. Hätte der Hund darauf nicht angesprochen, hätte ich mir etwas anderes einfallen lassen. Ich plane meine Aktionen nicht vorher, sondern handle rein instinktiv und richte mich ausschließlich nach der Situation sowie dem Verhalten und Wesen des jeweiligen Hundes.
    Henry leckt mit der Zunge das Wurststückchen aus der Rinde. Ich gehe währenddessen weiter zum nächsten Baum. Die Bewegungen des Hundes werden schneller und fließender. Man spürt, dass ihm die Sache Spaß zu machen beginnt. Daraufhin verstecke ich die Wurst in einer kleinen Mulde etwas höher im Baum und bleibe daneben stehen, als Henry sich nähert. Erst zögert er, entschließt sich aber dann, meine Nähe in Kauf zu nehmen und nach dem verborgenen Schatz zu suchen. Den nächsten Baum erreichen wir bereits zusammen. Nach mehreren gemeinsamen Aktionen drehe ich mich ganz leicht zu ihm ein und überrasche ihn mit einer neuen Wendung: »Sssst.«
    Ich bewege meine Schulter dabei leicht auf ihn zu, um seine Vorwärtsbewegung abzubremsen. Er bleibt sofort stehen und scheint überrascht. Ich nehme sofort den Druck heraus und entferne mich weiter zu einem Baum. Henry bleibt abwartend an der Stelle, an der ich
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