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Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
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unseres Vorschlags: Wir skizzieren das gute Leben. Anhand von Erkenntnissen, die zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten gewonnen wurden, identifizieren wir sieben »Basisgüter«, deren Besitz bedeutet, gut zu leben. Die erste Pflicht einer Regierung, so sagen wir, besteht darin, diese Basisgüter all ihren Bürgern zur Verfügung zu stellen, soweit ihr das möglich ist. Wie das gehen kann, ist Thema von Kapitel 7. Darin schlagen wir eine Reihe politischer Strategien vor, wie sich der grenzenlose Wunsch nach Reichtum der Kontrolle durch ein objektives Konzept des Guten unterwerfen lässt. Wenn es nicht gelingt, diese Kontrolle durchzusetzen, sind wir als Kultur verdammt – zur Aussichtslosigkeit oder zu Schlimmerem.
    * * *
    In Diskussionen mit Freunden und Bekannten tauchen regelmäßig fünf Einwände gegen unsere Ideen auf. Der erste Einwand betrifft das Timing. »Gerade jetzt«, so hören wir, »ist nicht der richtige Zeitpunkt, um überein Ende des Wachstums zu sprechen. Würde nicht Keynes selbst, wenn er noch am Leben wäre, uns drängen, so schnell wie möglich wieder auf den Wachstumspfad
zurückzukehren,
um die Arbeitslosigkeit zu verringern und die Staatsschulden abzutragen?« Das bestreiten wir nicht. Aber wir müssen unterscheiden zwischen kurzfristigen politischen Strategien zur
Erholung
nach der schlimmsten Wirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren und langfristigen Strategien zur Realisierung eines guten Lebens. In den beiden Jahren nach 2008 ist die weltweite Produktion um 6 Prozent geschrumpft, und heute hat sie ihr vorheriges Volumen erst teilweise wieder erreicht. Wir müssen zumindest das Produktionsvolumen wiedererlangen, das wir verloren haben, denn so, wie die Wirtschaft heute organisiert ist, gibt es keinen anderen Weg zum Abbau von Arbeitslosigkeit und öffentlichen wie privaten Schulden. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass die aktuellen Erfordernisse uns den Blick auf die endgültigen Ziele vernebeln. Keynes’ eigene Utopie entstand aus dem Fazit der Weltwirtschaftskrise. »Meine Absicht in diesem Aufsatz«, schrieb er, »ist jedoch nicht, die Gegenwart […] zu untersuchen, sondern mich von der kurzen Sicht freizumachen und mich auf Schwingen in die Zukunft zu wenden.«[ 2 ] Die zweite Frage betrifft den geografischen Rahmen unserer Vorschläge. Meinen wir, Länder, in denen Millionen Menschen nicht genug zu essen und kein Dach über dem Kopf haben, sollten mit dem zufrieden sein, was sie haben? Natürlich nicht. Unsere Argumente gelten für den Teil der Welt, in dem die materiellen Bedingungen für Wohlergehen bereits vorhanden sind. Wo das nicht der Fall ist, hat Wachstum zu Recht Priorität. Doch zu bedenken ist: Wenn die Entwicklungsländer sich weiter entwickeln, werden sie ebenfalls in die Zwickmühle geraten, in der wir uns bereits befinden; sie sollten sich also schon heute darauf vorbereiten. Keinesfalls sollten sie unseren Fehler wiederholen und sich so sehr auf die Mittel konzentrieren, dass sie den Zweck vergessen.
    Die nächsten drei Einwände sind grundsätzlicher. »Eure Vorschläge«, so der erste Einwand, »werden alle Initiative, Kreativität und visionäre Kraft ersticken. Sie sind eine Vorlage für allgemeine Untätigkeit.«Manchmal kommt noch der Zusatz, unsere Ideen würden die dekadente Einstellung des »alten Europa« widerspiegeln. Das hören wir, kaum überraschend, vorwiegend von Amerikanern.
    Um diese Missverständnisse auszuräumen, sagen wir an dieser Stelle klipp und klar, dass unser Buch kein Plädoyer für Untätigkeit ist. Wir wollen mehr
Muße
– und dieser Begriff hat, richtig verstanden, wenig mit Untätigkeit zu tun, sondern ist geradezu das absolute Gegenteil. Muße im wahren, heute beinahe vergessenen Sinn bedeutet Tätigkeit ohne äußeren Zweck, »Zweckhaftigkeit ohne Zweck«, wie Kant es ausgedrückt hat. Der Bildhauer, der ganz in die Bearbeitung des Marmors versunken ist, der Lehrer, der eine schwierige Idee vermitteln will, der Musiker, der mit einer Partitur ringt, der Wissenschaftler, der die Geheimnisse von Raum und Zeit erkundet – sie alle haben kein anderes Ziel, als das, was sie tun, gut zu tun. Es mag sein, dass sie mit ihren Anstrengungen ein Einkommen erzielen, aber das Einkommen ist nicht ihre Motivation. In unserer Begrifflichkeit ausgedrückt, ist ihre Tätigkeit Muße, nicht Fron. Das ist natürlich eine Idealisierung. In der realen Welt verlieren wir äußere Belohnungen einschließlich der finanziellen nie
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