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Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
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uns als Individuen wie als Gesellschaften daran hindert, zu sagen, »genug ist genug«. Die Kritik richtet sich gegen
ökonomische
Unersättlichkeit, den Wunsch nach immer mehr Geld. Sie zielt vor allem auf die reichen Teile der Welt, die, wie man vernünftigerweise annehmen kann, genug Wohlstand haben, um ein anständiges Leben aller Menschen dort zu ermöglichen. In den armen Teilen der Welt, wo die Masse der Bevölkerung in großer Armut lebt, ist Unersättlichkeit ein Problem der Zukunft. Aber in reichen wie in armen Gesellschaften haben wir es immer dann mit Unersättlichkeit zu tun, wenn der Überfluss der sehr Reichen der Lebensweise der breiten Masse sehr weit enteilt.
    Marxisten behaupten, ökonomische Unersättlichkeit sei eine Schöpfung des Kapitalismus und werde mit dem Kapitalismus verschwinden. Christen sagen, sie sei ein Produkt der Erbsünde. Unserer Meinung nach hat die Unersättlichkeit ihre Wurzel in der menschlichen Natur – in der Neigung, unseren Besitz mit dem unserer Nachbarn zu vergleichen und für unzureichend zu befinden –, wurde aber durch den Kapitalismus sehr verstärkt, der sie zur psychologischen Basis einer ganzen Kultur gemacht hat. Was einst eine Verirrung der Reichen war, ist heute eine alltägliche Erscheinung.
    Der Kapitalismus ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite hat er enorme Verbesserungen der materiellen Lebensbedingungen ermöglicht. Auf der anderen Seite hat er einige der hässlichsten menschlichen Eigenschaften wie Gier, Neid und Geiz verklärt. Wir plädieren dafür, das Monster wieder an die Kette zu legen, und möchten zu diesem Zweck daran erinnern, was die größten Denker aller Zeiten und allerKulturen gemeint haben, wenn sie vom »guten Leben« sprachen. Darüber hinaus schlagen wir Veränderungen der heutigen Politik vor, die uns zu diesem guten Leben verhelfen können.
    Dabei werden wir die gegenwärtige Fixierung auf das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) als wichtigstes Ziel der Wirtschaftspolitik infrage stellen. Wir sind nicht prinzipiell gegen Wirtschaftswachstum, aber wir fragen mit gutem Grund nicht nur,
wozu
das Wachstum da sein soll, sondern auch,
was
wachsen soll. Wir wollen, dass die Freizeit wächst und die Umweltverschmutzung abnimmt. Beides gehört zu einer vernünftigen Vorstellung von menschlichem Wohlergehen. Aber beides schlägt sich im BIP nicht nieder, denn das BIP misst nur den Teil der inländischen Produktion, der auf Märkten gehandelt wird. Es gibt keine Abzüge für Umweltverschmutzung und keine Zuschläge für Freizeit. Deshalb ist fraglich, inwieweit künftiges BIP-Wachstum das Leben verbessern wird. In sehr armen Ländern wird es sicher so sein, aber es könnte auch sein, dass reiche Länder bereits ein
zu hohes
BIP haben. Unserer Ansicht nach sollte in den reichen Ländern der Welt das BIP als Nebenprodukt einer Politik betrachtet werden, die darauf gerichtet ist, ein gutes Leben zu realisieren. Nur die Erfahrung wird zeigen, ob das Ergebnis des BIP positiv, negativ oder unverändert ist.
    In diesem Buch geht es nicht um die Prinzipien von Gerechtigkeit, sondern um die Elemente eines guten Lebens. Die meisten modernen politischen Theorien beginnen bei abstrakten Überlegungen, was richtig und gerecht ist, und leiten daraus dann »richtige« gesellschaftliche Verhältnisse ab. Unser Ansatz ist anders. Wir beginnen beim Einzelnen und seinen Bedürfnissen und versuchen, daraus ein Bild des Allgemeinwohls zusammenzusetzen. Verteilungsfragen, die im Mittelpunkt der modernen Diskussionen über Gerechtigkeit stehen, sind zwar sehr wichtig, interessieren uns hier aber nur im Kontext der Erfordernisse eines guten Lebens.
    * * *
    Stellen Sie sich eine Welt vor, in der die meisten Menschen höchstens 15 Stunden pro Woche arbeiten. Sie würden genauso viel Geld wie heute oder sogar mehr bekommen, weil die Früchte ihrer Arbeit gleichmäßiger über die Gesellschaft verteilt würden. Ein viel größerer Teil ihrer wachen Zeit würde auf Freizeit statt auf Arbeit entfallen. Genau diese Aussicht hat der Ökonom John Maynard Keynes in einem kleinen, 1930 veröffentlichten Aufsatz mit dem Titel »Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkelkinder« heraufbeschworen. Seine These ist einfach: Weil der technische Fortschritt eine Steigerung der Produktion pro Arbeitsstunde ermöglicht, müssten die Menschen immer weniger arbeiten, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, und schließlich müssten sie kaum noch arbeiten. Dann, so
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