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Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
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mittlerweile so daran gewöhnt, Knappheit als die Norm anzusehen, dass nur wenige von uns fragen, welche Motive und Grundsätze des Verhaltens in einer Welt der Fülle vorherrschen könnten oder sollten.
    Stellen wir uns also vor, jeder hätte genug für ein gutes Leben. Was gehört zum guten Leben? Was nicht? Welche Veränderungen unseres moralischen und wirtschaftlichen Systems wären nötig, um ein gutes Leben zu verwirklichen? Solche Fragen werden selten gestellt, vielleicht weil sie nicht in die Schubladen eines der vielen Fachgebiete passen, in die wir unser modernes Denken gerne einteilen. Philosophen entwerfen Systeme vollkommener Gerechtigkeit, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie unordentlich die empirische Realität ist. Ökonomen fragen, wie sich subjektive Begierden am besten befriedigen lassen, egal, welche Begierden das sind. Unser Buch bringt die Sichtweisen der Philosophie und der Wirtschaftswissenschaft zusammen in der Überzeugung, dass die beiden Fachgebiete einander brauchen, das eine um seines praktischen Einflusses, das andere um seiner moralischen Fantasie willen. Ziel unseres Buchs ist es, die alte Idee von der Wirtschaftswissenschaft als einer
moralischen
Wissenschaft wiederzubeleben – einer Wissenschaft von Menschen, die in Gemeinschaften zusammenleben, nicht von interagierenden Robotern.
    * * *
    Wie viel ist genug?
beginnt damit, dass wir die Gründe betrachten, warum Keynes’ Prophezeiung nicht eingetreten ist. Seine Voraussagen zum Wachstum waren zwar erstaunlich zutreffend – aber heute, 80 Jahre später, arbeiten die meisten von uns beinahe immer noch genauso hart wie damals, als er seinen zukunftsweisenden Aufsatz schrieb. Die Antwort, so meinen wir, lautet, dass eine freie Marktwirtschaft zum einen den Arbeitgebern die Macht gibt, die Arbeitsstunden und Arbeitsbedingungen zu diktieren, und zum anderen unsere angeborene Neigung anstachelt, uns im Konsum von Statusgütern zu übertrumpfen. Keynes war sich der negativen Seiten des Kapitalismus sehr genau bewusst, nahm aber an, dass sie verschwinden würden, wenn sie ihre Aufgabe, Reichtum zu schaffen, erfüllt hätten. Er sah nicht voraus, dass sie sich auf Dauer festsetzen und das Ideal überdecken würden, dem sie doch ursprünglich hatten dienen sollen.
    Wie wir in Kapitel 2 ausführen, war Keynes nicht der Einzige, der dachte, ursprünglich schlechte Motive könnten trotzdem nützlich sein. John Stuart Mill, Karl Marx, Herbert Marcuse, sogar Adam Smith in kühnen Momenten: Sie alle sprachen solchen schlechten Motiven eine positive Rolle als Agenten des geschichtlichen Fortschritts zu. In der Sprache der Mythen ausgedrückt, könnten wir sagen, die westliche Kultur habe ihre Seele dem Teufel versprochen und als Gegenleistung in einem bislang ungekannten Maß Wissen, Macht und Vergnügen erhalten. Das ist natürlich das große Thema der Geschichte von Doktor Faustus, den Goethe unsterblich gemacht hat. Die Ironie liegt indes darin, dass wir nun zwar endlich den Überfluss erreicht haben, aber durch die Gewohnheiten, die der Kapitalismus uns eingeprägt hat, nicht in der Lage sind, ihn richtig zu genießen. Der Teufel, so scheint es, fordert seine Belohnung ein. Können wir diesem Schicksal entrinnen? Vielleicht, aber nur, wenn wir die Idee des
guten Lebens,
eines Lebens, das sich selbst genug ist, aus dem Dunkel von Jahrhunderten der Vernachlässigung und Verzerrung wieder hervorholen. Dabei können wir uns bei den Schätzen vormoderner Weisheit, westlicher wie östlicher, bedienen, wie wir in Kapitel 3 zeigen.
    Der Widerstand gegen den Wachstumswahn hat in den letzten Jahrenzugenommen. Wachstum, so die Kritiker, mache uns nicht nur nicht glücklicher, es zerstöre zudem die Umwelt. Beide Aussagen mögen zwar zutreffen, verfehlen aber unseren tieferen Einwand gegen endloses Wachstum: dass es
unsinnig
ist. Wenn wir unsere Kritik damit begründen, dass Wachstum das Glück beeinträchtigt oder die Umwelt, laden wir unsere Gegner ein, zu zeigen, dass es in dieser Hinsicht eben
nicht
schädlich wirkt – und dieser Einladung sind sie umgehend gefolgt.[ * ] Die ganze Auseinandersetzung endet dann in einer akademischen Sackgasse. Der entscheidende Punkt ist, dass wir
wissen
– unabhängig davon, was Wissenschaftler und Statistiker uns erzählen –, dass die endlose Jagd nach immer mehr Wohlstand Wahnsinn ist. Das ist der Kern unserer Argumentation in Kapitel 4 und 5 .
    In Kapitel 6 kommen wir schließlich zum positiven Teil
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