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Wie Tau im Wuestensand

Wie Tau im Wuestensand

Titel: Wie Tau im Wuestensand
Autoren: Ann Maxwell
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stillzuhalten.
    Erst jetzt wurde ihr ihre Lage
richtig bewußt. Mit nur ein paar Seidenshorts bekleidet stand sie kaum einen
Meter von einer zusammengerollten, zischenden Todesfalle entfernt.
    Eine Schlange kann nicht weiter als
ihre eigene Länge angreifen, erinnerte
sie sich.
    Leider jedoch hatte sie keine
Möglichkeit herauszufinden, wie lang dieses Exemplar tatsächlich war.
    Fasziniert starrte Holly seitlich
auf das Tier hinab und versuchte, von seinem Umfang auf seine
Länge zu schließen. Das ist ein verdammt großes Biest, stellte sie
sachlich fest. Beth stöhnte auf.
    Obwohl Holly sich nicht rührte,
murmelte sie beruhigende Worte und drückte das Mädchen unmerklich an sich. Die
leiseste Bewegung von ihnen würde die Aufmerksamkeit der Schlange von dem
knurrenden, angriffslustigen Hund ablenken.
    Aus dem Augenwinkel heraus sah sie
Lincs Hengst an ihnen vorbeifliegen und direkt hinter Freedom abbremsen. Helles
Metall blinkte in der Sonne, als er vom Pferd sprang.
    »Freedom, sitz«, befahl er knapp.
    Widerwillig winselnd zog sich der
Hund zurück und setzte sich.
    »Bleib da!«
    Lincs Stimme forderte unbedingten
Gehorsam. Der Hund erstarrte, als ob man ihn auf den Boden genagelt hätte. Mit
der geschmeidigen Eleganz eines Ureinwohners schlich sich Linc aus der
entgegengesetzten Richtung an die Klapperschlange heran. Das Beil glänzte in
seiner Hand. Sein Blick war eisern auf den tödlich erhobenen Kopf der
Giftnatter fixiert.
    Das Reptil beobachtete aufmerksam
das Herannahen des Mannes. Die Schlange bewegte sich etwas und machte ein
Geräusch, als ob man Tannennadeln in einer Papiertüte schüttelte.
    Normalerweise trat Linc beim
Zusammentreffen mit einem solchen Gegner einfach beiseite und ließ dem Tier den
Vortritt, da Klapperschlangen genau wie die Sonne zur Wüste dazugehörten.
    Die Situation heute jedoch hatte nichts
mehr mit einer natürlichen Begegnung zu tun.
    Langsam hob Linc das Beil über
seinen Kopf.
    Ohne Vorwarnung schlug er zu. Er
sprang einfach etwas vor und ließ das Beil mit einem endgültigen Hieb
herabsausen, das bis auf einen zehn Zentimeter unter dem Sand verborgenen Stein
durchschlug.
    Holly schloß die Augen, um das
reflexartige Zucken des bereits toten Tiers nicht mit ansehen zu müssen. Sie
hörte Beth' erstickten Schrei, als Jack sie in seine Arme hob und sie mit
stockenden Worten tröstete.
    Als sie ihre Augen öffnete, wurde
Beth von Jack liebevoll gestützt. Eng umschlungen standen sie in stiller
Innigkeit beieinander.
    In Holly stieg Wehmut auf. Seit Cabo
San Lucas war ihr Leben in einer Art Dämmerzustand verlaufen, in dem weder die
Sterne noch der Sonnenaufgang die endlose Weite der Zukunft erhellt hatten.
Nur eine schreckliche Leere in ihr sehnte sich nach Erfüllung.
    Kräftige Hände umfaßten Hollys Arme,
wirbelten sie herum und schüttelten sie.
    »Das war die dümmste Idee, auf die
jemals irgend jemand auf der Welt verfallen konnte!« schnaubte Linc
wutentbrannt. »Glaubst du etwa, du bist unsterblich? Was, in aller Welt, hattest
du denn beweisen wollen?«
    Sie blickte ihn verwundert an. Sein
Gesicht glich dem Stein, den sie vorhin berührt hatte, es war hart und
unbeugsam. Seine Augen zogen sich zusammen und sprühten vor Schrecken. Seine
Lippen spannten sich über seine Zähne, während er sie anbrüllte. Hinter sich
hörte Holly Jacks murmelnden, an Beth gerichteten Zuspruch.
    Plötzlich stieg ein Lachen in Holly
auf. Es war ein Lachen, das aus ihr herausdrängte, so wild wie Lincs Blick.
    Sie biß die Zähne zusammen, um das
grausige Gelächter zu ersticken. Als sie endlich sprach, erklang die hohe,
ruhige, leere Stimme einer anderen.
    »Beth wäre beinahe in Ohnmacht
gefallen«, erläuterte sie. »Sie schwankte bereits nach vorn. Wenn sie auf die
Schlange ...«
    Holly beobachtete die Veränderung in
Lincs Gesichtsausdruck, als ihm bewußt wurde, wie knapp seine Schwester dem
Tod entronnen war.
    »Immerhin«, sagte sie. »Es freut
mich, daß du wenigstens noch für einen Menschen Fürsorge an den Tag legst.«
    Hinter sich vernahmen sie Beth'
Schluchzer und Jacks zärtliche Worte, die sie einlullten.
    Holly fragte sich, wie es wohl wäre,
wenn sie wieder weinen könnte. Wie es wäre, wenn jemand sie wieder halten,
sich um sie sorgen, ihre Tränen zu den seinen machen würde.
    Genau das hatte Linc damals in der
Unfallnacht ihrer Eltern getan.
    Er hat meine Welt durch seine Kraft
und damalige Wärme zusammengehalten. Sechs lange Jahre hat mir die Erinnerung
an jene
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