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Wie Tau im Wuestensand

Wie Tau im Wuestensand

Titel: Wie Tau im Wuestensand
Autoren: Ann Maxwell
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niemals wieder passieren.
    Holly schloß die Augen und klammerte
sich an das Lenkrad wie an einen Rettungsring. Bis zu diesem Augenblick hatte
sie sich nicht eingestanden, wie nahe am Abgrund sie die ganze Zeit gelebt
hatte.
    Und wie leicht es wäre, in ihn zu
stürzen.
    Bei dem Gedanken schrak sie
zusammen.
    »Holly?«
    Das war Beth' Stimme, nicht Lincs.
    Holly gab sich einen Ruck und
öffnete die Augen.
    Beth glitt aus dem Sattel und
näherte sich hastigen Schrittes dem Jeep. Ihr großer heller Hund wirbelte um
sie herum und behinderte jeden ihrer Schritte. Holly atmete tief ein und zwang
sich, aus dem Auto zu steigen und so zu tun, als ob die Hitze ihre einzige
Sorge sei.
    Sie streichelte Freedoms Ohren, als
er sie stürmisch begrüßte. Dann zwang sie sich, das auf sie zueilende Mädchen
anzulächeln.
    Es ist nicht Beth' Schuld, daß ich
den falschen Mann geliebt habe, hielt
Holly sich vor. Sie hat es nicht verdient, von Shannon geschnitten zu werden.
    Also öffnete sie die Arme, umfing
Beth und flüsterte Lincs Schwester genau die Worte ins Ohr, die sie Linc
gegenüber nicht aussprechen konnte.
    »Ich habe dich so sehr vermißt«,
murmelte sie.
    Die Flur ihrer Gefühle drohte, sie
mit sich zu reißen. Plötzlich war sie wieder viel zu sehr Holly. Und viel zu
wenig Shannon.
    Beth' Begrüßung ging in einem
Schluchzen unter. Sie klammerte sich endlos an Holly, ehe sie wieder zu
sprechen vermochte.
    »Warum ...«, begann Beth, unterbrach
sich jedoch abrupt. »Nein, ich habe mir geschworen, dich nicht danach zu fragen.«
    Holly versuchte zu lächeln, was ihr
beinahe auch gelungen wäre.
    »Wie geht es dir?« fragte Miss
McKenzie besorgt.
    »Gut, wirklich!«
    »Du siehst aber nicht so aus. Wie
Linc. Irgendwie älter.«
    »Das bin ich auch.«
    Noch einmal Lincs Namen erwähnt zu
hören, hätte Holly nicht verkraftet. Sie zupfte an dem Cowboyhut, der Beth' Gesicht
halb verdeckte.
    Das Mädchen sah blendend aus.
    »Wenn wir schon von Veränderungen
reden, dann schau lieber dich selber an!« ergänzte Holly.
    Beth' glänzende Haare glitten ihr
über die Schultern, Locken umrahmten ihr Gesicht. Sie trug nur eben so viel
Make-up, daß ihre blauen Augen voll zur Geltung kamen. Unter dem transparenten
Gloss waren ihre Lippen weich, einladend und unschuldig.
    »Du bist eine richtige Schönheit
geworden«, beglüccwünschte Holly sie. »Was sagt denn dein Bruder ... ach was!
Es geht mich ja nichts an.«
    »Linc hat nichts dagegen, daß ich so
nett aussehe« sagte sie. »Jedenfalls nicht mehr.«
    Holly stieß einen undeutlichen Laut
aus. Sie hatte nicht die Absicht, sich über das Thema Linc und Schönheit zu
unterhalten.
    Eigentlich wollte sie überhaupt
nicht mehr von ihm sprechen.
    »Ein Monat, nachdem er aus Cabo San
Lucas zurückgekommen ist, hat er mich mit nach Palm Springs genommen«,
berichtete Beth. »Neue Kleidung, neuer Haarschnitt, neues Make-up, alles, was
ich wollte. Nur du als Schwester fehlst mir noch.«
    Holly betete darum, daß man ihr
ihren Schmerz nicht ansah. »Du siehst glücklich aus«, sagte sie leise. »Das
freut mich.« Beth rang mit den Tränen.
    »Linc möchte, daß ich so bin, wie
ich gerne sein möchte«, schniefte sie. »Wunderschön oder unscheinbar oder
irgendwo dazwischen. Er liebt mich.«
    Holly spürte, wie ihr der Boden
wiederum entglitt.
    »Das steht dir auch zu«, flüsterte
sie.
    Sie war erstaunt, daß sie trotz der
Taubheit ihrer Seele einen Ton herausbrachte.
    Soviel hat er immerhin doch gelernt,
dachte sie hilflos. Dann waren meine Qualen wenigstens nicht
völlig umsonst. »Komm doch wieder zu uns auf die Ranch«, flehte Beth. Holly
schüttelte unwillkürlich den Kopf.
    »Bitte«, drang Beth in sie. »Linc
liebt dich.«
    Die Wunschschwester zuckte zusammen,
als ob man sie geschlagen hätte. Sie blieb bei ihrem Nein.
    »Aber doch«, teilte Beth ihr eifrig
mit. »Er hat sich weder mit Cyn noch mit sonst irgendeiner Frau getroffen,
sondern jeden Tag von früh bis spät geschuftet. Allen gegenüber ist er
unausstehlich, außer mir. Zu mir war er manchmal so zärtlich, daß ich hätte
heulen können. Bitte, komm zurück. Er liebt ...«
    »Schluß damit!« unterbrach Holly sie
schroff.
    Das Mädchen riß erstaunt und
gleichzeitig verletzt die Augen auf.
    Nach einigen Atemzügen hatte Holly
sich wieder im Griff. Aber es war immer noch eine Gratwanderung.
    Nahe an der Kippe, so fragil wie
Holly selbst.
    »Vielen Dank, Beth, aber es geht
nicht«, erklärte sie vorsichtig.
    »Ich habe dich
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