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Wie redest du mit mir

Wie redest du mit mir

Titel: Wie redest du mit mir
Autoren: Franz Thurmaier , Joachim Engl
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dahinter. Es muss irgendein Gefühl sein, das Viktor in solchen Situationen zu dieser Äußerung verführt; ein Gefühl, das er verstecken will, weil es ihm unangenehm vorkommt, oder das ihm vielleicht sogar selbst gar nicht so richtig bewusst ist. Mit dieser sehr kurzen Überlegung versuche ich meine Art des Eingreifens zu gestalten: Jemanden nicht für voll nehmen ist keine Gefühlsäußerung, und genau darauf werde ich den Sprecher aufmerksam machen. Gleichzeitig werde ich ihm – ähnlich dem Souffleur im Theater – eine ganze Palette von Gefühlen soufflieren, in der Hoffnung, dass eines davon seine wirkliche Empfindung trifft und er meine Formulierung wörtlich oder abgewandelt, bis sie genau für ihn stimmig ist, verwenden kann.
    »Denken Sie bitte daran, wie wichtig es ist, dass Sie Ihrer Partnerin möglichst genau die Gefühle zu beschreiben versuchen, die Sie in solchen Momenten empfinden. Nur so wird sie Sie besser verstehen können. Je nachdem, wie es für Sie am stimmigsten ist, könnten Sie z.   B. sagen: »Ich bin in dieser Situation total verwirrt, hilflos, unsicher, weil ich dich nicht verstehen kann«; oder: »Ich bin ärgerlich, wütend auf dich«; oder: »Solche Situationen machen mir Angst«; oder: »Sie sind mir peinlich.« Nennen Sie Ihrer Partnerin doch die Gefühle und Empfindungen, die in Ihnen vorgingen.«
    Sprecher Viktor hat mir aufmerksam zugehört, manchmal fast unmerklich genickt, manchmal deutlich verneinend das Gesicht verzogen. Die ganze Zeit über hat er jedoch seine Partnerin ernst aber nicht abweisend angesehen. Er überlegt einige Zeit bis er sich schließlich äußert.
    »Na ja, es stimmt schon, wenn ich mir so eine Situation genau vorstelle, dann fühle ich mich im ersten Moment verwirrt und meine, dich nicht zu verstehen. Aber dann merke ich, dass ich auch wütend werde. Ich habe dann das Gefühl, ich muss mich wehren, weil ich sonst auf der Strecke bleibe.«
    Viktor wirkt geradezu erlöst, so aus sich herausgehen zu können. Ich bin sehr erleichtert, dass das Gespräch diesen Verlauf nimmt. Viktor wird als Sprecher für die Zuhörerin jetzt als ein menschliches Gegenüber mit eigenen Sorgen und Nöten spürbar. Nur so ist überhaupt partnerschaftliches Verständnis für den anderen möglich. Es fällt mir schwer, Viktor an dieser Stelle kurz zu unterbrechen. Ich tue es trotzdem, weil meine Sorge in dem Moment der Zuhörerin gilt. Schließlich wurde sie gerade mit einigen gewichtigen negativen Gefühlen ihres Partners konfrontiert. Ich halte es für ungünstig, bereits jetzt einen Rollenwechsel einzuleiten, damit die momentane Zuhörerin Viktoria wieder ihrerseits in der Sprecherrolle ihre Gefühle und Bedürfnisse äußern kann. Allerdings erscheint es mir wichtig, dass sie jetzt Gelegenheit bekommt, kurz ihre eigenen Gefühle rückzumelden, eventuell ihrem Partner positive Rückmeldung zu geben und vor allem die Selbstöffnungen des Partners zusammenzufassen, ehe dieser damit fortfahren kann. Dementsprechend sieht meine Intervention aus:
    »Ihr Partner hat gerade einige Gefühle geäußert. Für den weiteren Gesprächsverlauf ist es sehr wichtig, dass Sie diese zusammenfassen. Sie können an dieser Stelle Ihrem Partner auch Ihre eigenen Gefühle rückmelden, die das Gesagtegerade in Ihnen ausgelöst hat. Zusätzlich können Sie ihm noch, wenn Sie das möchten, positive Rückmeldung für sein Gesprächsverhalten geben.«
    Viktoria ist sichtlich bewegt, sie sammelt sich kurz, bevor sie meine Vorschläge aufgreift.
    »Ich bin total überrascht, wie es dir in solchen Situationen ergeht, und dass du auch wütend auf mich wirst, trifft mich schon hart. Aber ich find’s toll, dass du mir das so offen sagen kannst.«
    Ich erinnere noch einmal kurz an die Regel des Zusammenfassens.
    »Also ich hab’ mitgekriegt, dass du erst einmal ziemlich verwirrt bist, dann aber bald wütend wirst und das Gefühl bekommst, dich wehren zu müssen. Aber das mit dem »auf der Strecke bleiben« versteh’ ich nicht ganz. Kannst du mir noch deutlicher erklären, was du damit meinst?«
    Die Zuhörerin hat meine drei Interventionsvorschläge, »Rückmeldung der eigenen Gefühle«, »Positive Rückmeldung« und »Zusammenfassen« gut anwenden können und sie noch um eine »Offene Frage« ergänzt. Damit hat sie eine weitere Weiche für einen günstigen Gesprächsverlauf gestellt.
     
    Was aber macht nun die positive Wirkung einer solchen Gesprächssequenz aus?
    Bei einem Paar wie Viktor und Viktoria
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