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Wie redest du mit mir

Wie redest du mit mir

Titel: Wie redest du mit mir
Autoren: Franz Thurmaier , Joachim Engl
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möglicherweise sogar zu dem Schluss, dass dieses Verhalten, das sie von sich selbst fordert, weil es ihren Vorstellungen von einer liebenden (Ehe-)Frau entspricht, sie bisweilen stark unter Druck setzt. Ja, vielleicht gesteht sie sich sogar ein, dass sie manchmal das Gefühl hat, in der Partnerschaft zu kurz zu kommen, weil sie, nur auf das Wohlergehen ihres Friedemann bedacht, eigene Bedürfnisse und Interessen zurückstellt. Solche Überlegungen gehen dann unter Umständen mit Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend einher,während der sie auch ausschließlich für andere – nämlich ihre Familie – dachte und fühlte. So könnte die Überzeugung reifen, dass sie unter Partnerschaft eigentlich etwas anderes versteht, als diese selbstlose Aufopferung für den Partner.
    Friedemann und Clementia wären nicht das erste Paar, dem während eines fair geführten Gesprächs solche oder ähnliche »Missverständnisse« deutlich würden, die beide bisher an einer offeneren und befriedigenderen Partnerschaft hinderten.
    4.   2.   3.   Viktor und Viktoria im EP L-Paargespräch
    Wie schon bei Friedemann und Clementia wählen wir als Gesprächsbeispiel für unser Hick-Hacker Paar mit ihrer zweiseitigen Dominanz die dritte Paargesprächs-Übung aus der zweiten EP L-Sitzung , in der die Paare zum ersten Mal ein eigenes selbst gewähltes Konfliktthema kommunikationsregelgemäß miteinander besprechen.
    Viktor und Viktoria suchen sich als erstes eigenes Problemthema etwas aus, was sie nicht allzu sehr, aber immer wieder mal belastet und häufig zu unschönen Streitszenen zwischen ihnen führt. Es geht darum, dass Viktoria nicht so recht verstehen kann, warum Viktor sich so wenig für schöngeistige Dinge erwärmt, wo er doch z.   B. über seinen Vater an die tollsten Bücher herankäme. Oder als seine Eltern ihnen vor kurzem einmal die teuren Theaterkarten schenken wollten, habe er dies ziemlich schroff abgelehnt. Diese und ähnliche Situationen machen wiederum Viktoria so wütend, dass sie zugegebenermaßen total überreagiere und lautstark auf ihn einschimpfe.
    Als Trainer folge ich dem Gespräch sehr konzentriert, da gerade in dieser ersten Übung mit einem eigenen konfliktbehaftetenThema die Gefahr relativ groß ist, dass beide in ihrer Erregung wieder in alte – sprich: verletzende – Gesprächsmuster zurückfallen. Und schon ist es passiert. Viktor schert als erster aus dem regelgemäßen Gespräch aus und sagt:
    »Da bist du einfach zu impulsiv; ich nehme dich deshalb nicht für voll.«
    In mir leuchten alle Trainer-Warnlampen rot auf. Die Partnerin nicht für voll nehmen bedeutet das Ende jeder partnerschaftlichen Beziehung. Die beiden haben bisher einen ganz anderen Eindruck auf mich gemacht. Trotz oder gerade wegen ihrer Spannungen schätzen und mögen sie sich. Viel Zeit habe ich nicht. Eine Sekunde vielleicht, dann geht das Gespräch frustrierend, verletzend für die beiden weiter, und sie werden sich gegenseitig nicht besser verstehen, sondern sich eher weiter voneinander entfernen. Ich muss also eingreifen, das Gespräch wieder in Bahnen lenken, in denen die beiden positive Erfahrungen miteinander machen können. Mein Eingriff darf nicht als rüde Unterbrechung, als eine Art Bestrafung empfunden werden, sonst verlieren sie vielleicht die Lust am Weitersprechen oder sie stellen sich mir zuliebe brav, ohne wirklich von der Übung zu profitieren. Die beste und für einen Kommunikationstrainer einzige Möglichkeit besteht darin, für das Paar informativ und an die Regeln erinnernd einzugreifen.
    »Ich breche an dieser Stelle Ihr Gespräch ab und gebe Ihnen eine kurze Rückmeldung darüber, wie es bisher abgelaufen ist.«
    Ich betone in kurzen Sätzen, welche Regeln die beiden bisher angewandt haben, hebe ihre Leistung hervor, sich auf ein für sie belastendes Thema so beherzt einzulassen, denn nur so können die beiden am meisten mit- und füreinander lernen. Dafür haben sie wirklich Lob verdient, undich will es ihnen nicht vorenthalten. Erst im nächsten Schritt gehe ich auf die Formulierung »ich nehme dich nicht für voll« ein, die ich für so kritisch halte. Nicht für voll genommen werden heißt, nicht als Person, nicht als gleichwertiger Partner angesehen zu werden. Für den Betroffenen ist das in aller Regel eine tiefe Kränkung. Was aber bedeutet eine solche Äußerung in diesem Fall bei Viktor als Sprecher? Wenn er seine Partnerin liebt und trotzdem diese Formulierung wählt, steckt etwas anderes
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