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Wie redest du mit mir

Wie redest du mit mir

Titel: Wie redest du mit mir
Autoren: Franz Thurmaier , Joachim Engl
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überdie bewussten und unbewussten Beweggründe meines Partners Bescheid zu wissen als er selbst. Im günstigsten Fall stimmt mein Partner zu, wenn die Deutung halbwegs positiv klingt, und denkt nicht allzu lange darüber nach, ob sie wirklich stimmig ist – und wer eine positive Interpretation seines Verhaltens für sich selbst anders sieht, könnte leicht geneigt sein, seinen interpretierenden Partner doch lieber weiter in diesem Glauben zu belassen.
    Negative Interpretationen unterstellen dem anderen negative Motive. Diese kommen kleineren und größeren Entwertungen gleich. Wer sich Sätze anhören muss, wie »Das ist doch nur eine faule Ausrede von dir«, »Deine Kollegen sind dir wohl viel wichtiger als ich, sonst würdest du nicht ständig Überstunden machen«, »So viel, wie du kochst, willst du wohl, dass ich genauso dick werde wie du«, »Nie bringst du mir Geschenke mit, du liebst mich wahrscheinlich gar nicht mehr«, der stutzt erst einmal, fühlt sich genötigt, sein Verhalten zu erklären oder zu rechtfertigen. Gleichzeitig entsteht ein latentes bis deutliches Ärgergefühl, falsch verstanden worden zu sein (vielleicht sogar auch ertappt worden zu sein – negative Interpretationen können ja auch zutreffen). Negative Interpretationen können beim »Interpretierten« auch zu einem berechtigter- oder unberechtigterweise schlechten Gewissen führen, zu Schuldgefühlen, zu Hilflosigkeit und dem Gefühl der Unterlegenheit. Meist jedoch lösen sie erst einmal ärgerlichen Protest aus (»Wie kommst du denn
da
drauf?«). Über den ausgelösten Ärger, der andere Gefühle erst einmal zudeckt, wird ein Gespräch über das jeweilige Problem erschwert.
    Durch Interpretationen fühlt sich der Partner auch nicht besonders ernst genommen. Ich frage ihn ja erst gar nicht nach den Beweggründen für sein Verhalten, sondern ichweiß es einfach besser. Auch das gegenseitige Vertrauen wird beeinträchtigt. Wenn ich bei allem, was ich sage und tue, Gefahr laufe, dass mein Partner darin Unrat in meiner Seele wittert, dann werde ich in Zukunft sehr auf der Hut sein müssen. Spontaneität und Offenheit   – Adieu!
    Warum wird dann überhaupt so häufig negativ interpretiert? Aus Angst vor der »Wahrheit«, die weniger schlimm ist, wenn ich sie selbst ausspreche? Dann wäre die negative Interpretation eigentlich eine Befürchtung, und man wartet nur auf den Protest und die Rechtfertigungen des Partners, um innerlich wieder beruhigt zu sein.
    Aus Lust, den Partner als den weniger lieben Teil der Beziehung darzustellen, um eigene Bedürfnisse besser durchsetzen zu können? Dann wären Interpretationen ein Mittel zur Erlangung oder zum Ausbau von Dominanz in der Partnerschaft.
    Man könnte noch einige andere Vermutungen aufzählen, warum so oft negativ interpretiert wird, es wären alles wiederum Interpretationen von Interpretationen. Dagegen gibt es nur einen Weg: Die eigenen Gefühle, die eine Interpretation auslöst, ausdrücken und nach den Gefühlen des Partners offen fragen. Aber dazu später in Kapitel 2.3.
    Scheinfragen
    »Findest du dein Verhalten etwa richtig   …?
    »Du glaubst doch nicht im Ernst   …?
    Mit Scheinfragen wird nicht wirklich nach etwas gefragt, sondern nur etwas gesagt. Gesagt wird dem Partner auf diese höchst indirekte Art und Weise, dass er sich selbst etwas fragen soll, damit er auf dieselbe Antwort kommt, dieman längst schon zu wissen glaubt: nämlich, dass mit ihm/ihr irgendetwas nicht in Ordnung sei. Das soll er/sie doch bitteschön einsehen. Dieses Ziel wird jedoch auf diese Weise nur selten erreicht, fühlt sich der zum Schein Gefragte doch sofort geschulmeistert und indirekten Vorwürfen ausgesetzt, während der »Fragende« seine Gefühle gleich doppelt versteckt: einmal im Du-Satz und zum anderen im Fehlen einer eigenen Aussage. Diese zu treffen, wird ja nur indirekt dem Partner nahegelegt. Das führt dazu, dass dieser sich zwar unangenehm berührt fühlt, vielleicht ärgerlich wird, aber nicht sofort weiß, woran er mit seinem Gegenüber gerade ist. Es entsteht zusätzlich Verunsicherung, und der Betroffene wird erst einmal dazu tendieren, sich zu rechtfertigen (»Ich habe doch gar nichts Falsches getan   …«). Geübte Streithähne treten eventuell die Flucht nach vorne an und agieren mit Gegen(schein)fragen »Meinst du etwa, mit solchen indirekten Fragen kriegst du mich klein?« oder geben trotzige Antworten »Ja, ich finde es richtig, zweimal in der Woche ohne dich auszugehen,
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