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Wie redest du mit mir

Wie redest du mit mir

Titel: Wie redest du mit mir
Autoren: Franz Thurmaier , Joachim Engl
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vielleicht, du bist etwas Besseres, wenn du den biederen Stubenhocker mimst. Wegen deinem sonderbaren Gebaren in Gesellschaft werden wir bald überhaupt keine Freunde mehr haben.«
    »Und wegen dir und deinem ewig gleichen Samstagabendtratsch verpennen wir jeden Sonntag. Man kommt überhaupt nicht mehr dazu, etwas Sinnvolles zu unternehmen. Ich hab’s einfach satt. Nächstes Mal kannst du allein hingehen.«
    »Das werd’ ich auch. Vielleicht ist es sogar besser so. Ich kümmere mich eh’ viel zu viel um dich. Bleib ruhig zuhause sitzen. Wirst schon sehen, was du davon hast.«
    »Ich kann mich zumindest noch mit mir selbst beschäftigen, im Gegensatz zu dir. Du brauchst doch immer dein Publikum.«
    »Pass bloß auf, dass ich dich irgendwann nicht mehr brauche. Ich finde es unmöglich, wie du dich mir gegenüber benimmst.«
    »Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit, mein Schatz.«
    Jeder kennt diese Art der entgleisten Auseinandersetzung von anderen oder aus eigener Erfahrung. Was ist eigentlich passiert? Innerhalb einer einzigen Minute kann ein Streitgespräch dazu führen, dass im Eifer des Gefechts gleich die ganze Beziehung infrage gestellt wird. Grund genug, diesen kurzen Dialog einmal genauer zu analysieren:
    Es beginnt mit einer für Erwin und Petra bekannten Situation, die von beiden auf unterschiedliche Art und Weise als unangenehm erlebt wird – und das vermutlich nicht zum ersten Mal.
    Petra äußert zuerst ihren Unmut. Wie? Durch einen Vorwurf.
    Wie sieht dieser Vorwurf aus?
    Sie sagt Erwin, dass er sich immer unmöglich verhält, dass der Grund, den er vorgibt, gar nicht stimmen könne (womit seine Glaubwürdigkeit angezweifelt wird) und dass das auch schon andere bemerkt hätten. Von ihrem eigenen Unmut und ihrer eigenen Enttäuschung erwähnt sie nichts. Damit wird von vornherein der Weg eng für einen konstruktiveren Fortgang des Gesprächs. Was macht Erwin? Er reagiert gereizt und mit noch mehr Schärfe als Petra. Erst einmal wird die von Petra angeführte »Zeugin« seines beklagenswerten Benehmens als langweilige Lifestyle- Schwätzerin demontiert. Anschließend münzt Erwin Petras Vorwurf um – in einen indirekten Vorwurf seinerseits: Petra solle froh sein, dass er überhaupt dabei war, bei dem Tratsch, den er sich da immer anhören müsse. Damit steuert das Gespräch vollends einer Eskalation entgegen. Petra, die möglicherweise erwartethatte, Erwin würde sich für sein Verhalten entschuldigen, sieht stattdessen sich und ihre beste Freundin als langweilige Klatschtanten tituliert und gibt dieses »schmeichelhafte Kompliment« in verschärfter Form an Erwin zurück, wobei sie nicht versäumt, noch ein wenig nachzuschüren und ihn indirekt als miesepetrigen Säufer darzustellen. Das Streitgespräch ist in offene Kränkungen und Beleidigungen gemündet. Es gilt nun, das Gesicht zu wahren und sich davon bloß nicht getroffen zu zeigen. Da gibt es »elegantere« Möglichkeiten, wie Erwin eindrucksvoll demonstriert. Er schwenkt in blanken Zynismus um (»Das hält man ja anders gar nicht aus«), worauf Petra ihn wiederum beleidigt und beschuldigt und düster die Konsequenzen seines Verhaltens übertreibt. Erwin gibt entsprechend zurück. Die unangenehme Spannung des Gesprächs ist kaum mehr zu steigern. Man steuert auf ein Ende der Auseinandersetzung zu, wie auch immer sie aussieht. Dazu bietet sich die negative Scheinlösung an.
    Das sind Lösungen, die im Grunde genommen keiner will und die meist den Zweck haben, dem Partner zu zeigen, dass man nicht auf ihn angewiesen ist, und die eine weitere Diskussion über das Problem scheinbar überflüssig machen. Eine Reaktion aus verletztem Stolz, ein zweifelhafter Rettungsanker des angeschlagenen Selbstwertgefühls, meist in der schwachen Hoffnung geäußert, der andere möge doch jetzt endlich über die Folgen erschrecken und einlenken. Bei Erwin und Petra hört sich diese Variante so an: »Nächstes Mal kannst du allein hingehen.« – »Bleib ruhig zuhause sitzen. Wirst schon sehen, was du davon hast.«
    Der verletzende Streit steigert sich in diesem Beispiel bis zur gegenseitigen Drohung, den anderen zu verlassen. Es würde auch nicht überraschen, wenn diese Auseinandersetzungin Tränen, in Tätlichkeiten oder in irgendeiner anderen dramatischen Form münden würde.
    Streitgespräche wie dieses sind leider ebenso häufig wie gefährlich für eine Beziehung. Sie tun jedem der Beteiligten sehr weh. Es werden aus dem Drang, sich verteidigen zu müssen,
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