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Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Titel: Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen
Autoren: Marlitt Wendt
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Wohlbefinden zu kümmern. Sie pflegen dann kaum noch Sozialkontakte oder ziehen das Koppen dem Fressen vor.
    Wahrscheinlich dient die jeweilige Verhaltensstörung dem Pferd als eine Bewältigungsstrategie (coping strategy). Es sieht in ihr einen Mechanismus, einen akuten Stresszustand zu mildern und sich kurzzeitig in eine Entspannungsphase zu flüchten. Diese Entspannung hat eine belohnende Wirkung auf das Pferd, sodass es in Zukunft häufiger nach dieser Form der Entspannung suchen wird. Das Verhalten beginnt selbstbelohnend zu werden. Zunächst ist es nur ein Ritual für das Pferd, später manifestiert es sich als echte Stereotypie. Unter Stereotypien verstehen Verhaltensforscher auffällige Verhaltenselemente, die regelmäßig und ausdauernd in nahezu identischer Form gezeigt werden. Meistens passt diese Verhaltensweise überhaupt nicht zu der Situation, in der sich das Pferd aktuell befindet. Manche Pferde koppen sogar, obwohl die anderen Pferde in ein Spiel vertieft sind, und scheinen ihre Umwelt nicht immer wahrzunehmen. Im Gehirn laufen dabei ähnliche Vorgänge ab wie bei suchtkranken Menschen. Die Sucht oder die Stereotypie wird zum bestimmenden Lebensinhalt. Wie bei jeder Form der Suchterkrankung strebt der Betroffene nach „mehr“. Auch bei Pferden werden Stereotypien ohne Behandlung und Haltungsverbesserungen mit den Jahren immer massiver auftreten.
     

    Das Koppen ist eine Verhaltensstörung, die dem Stressabbau dient und darauf hindeutet, dass hinsichtlich Haltung oder Umgang mit dem Pferd einiges nicht stimmt.
     
    Als Ursache gilt neben einer möglichen genetischen Veranlagung des Pferdes auch eine nicht artgerechte Haltungsform. Weitere Faktoren können Stress, intellektuelle Über- oder Unterforderung und eine suboptimale Fütterung sein. Viele Pferde, die ein monotones, wenig stimulierendes Leben führen müssen, entwickeln diese Verhaltenstendenzen, die ihnen ihr Leben ein wenig erträglicher machen. Pferde schauen sich Verhaltensstörungen nicht voneinander ab, dennoch finden sich in derselben unzureichenden Haltungsform häufig mehrere betroffene Tiere. Eine Isolation stellt für ein solches Pferd eine weitere extreme Verschlechterung der Situation dar. Ebenso wird sich der Stress noch steigern, wenn es zum Beispiel durch einen Kopperriemen an der Ausübung seiner Bewältigungsstrategie gehindert wird. Meist flüchtet es dann in eine neue Verhaltensstörung – ein Teufelskreis, der nur durch eine Verbesserung der Lebensbedingungen auf allen Ebenen durchbrochen werden kann. Wahrscheinlich hört ein betroffenes Pferd trotz Haltungsänderung nicht komplett auf zu koppen, dafür wird es aber dank der Verbesserung seiner Situation weitaus mehr Lebensqualität genießen dürfen.
    Schmerzen sind eine der häufigsten Ursachen für Verhaltensprobleme beim Pferd. Da Pferde stumm leiden und es für uns Menschen so schwierig ist, ihre Schmerzen einzuschätzen, sollte bei jeder Verhaltensauffälligkeit immer eine gründliche Allgemeinuntersuchung vom Tierarzt durchgeführt werden. Pferde reagieren sehr unterschiedlich auf Schmerzreize. Das eine wird eher rastlos, das nächste in sich gekehrt und schläfrig oder auch gereizt und aggressiv sein. Beobachtungen darüber, welche Reaktionen und auch welche Körpertemperatur und Atemfrequenz bei dem eigenen Pferd eigentlich als „normal“ angenommen werden können, sind sehr hilfreich für die Einschätzung, ob und wie stark es unter seinen Schmerzen leidet.
    Nicht nur akute, sondern auch chronische Schmerzen, die häufig jahrelang übersehen wurden, können eine Verhaltensänderung hervorrufen. Daneben gibt es eine sogenannte „Schmerzerinnerung“. Das betroffene Tier erinnert sich unterbewusst, dass zum Beispiel eine bestimmte Berührung in der Vergangenheit Schmerzen ausgelöst hat. Bei empfindlichen Tieren oder sehr starken Schmerzen reicht dafür schon das bloße Ansehen einer Körperregion
    aus. Es wird immer noch mit Abwehrverhalten reagieren, da es dieses durch den Schmerzreiz gelernt hat, obwohl die tatsächlichen Schmerzen schon längst ausgestanden sind. Es ist nun zu einer Gewohnheit geworden zu zucken, sich zu entziehen oder auch zu drohen.
     

    Schmerzen gehören zu den häufigsten Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten oder Widersetzlichkeiten.
     

    Mit einer akuten Stresssituation kommt ein Pferd – wie der Mensch auch – gut zurecht.

    Immer wiederkehrende Überforderung führt dagegen zu Dauerstress, der das Pferd krank machen
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