Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Titel: Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen
Autoren: Marlitt Wendt
Vom Netzwerk:
einem Zusammenspiel verschiedener Mechanismen zusammen, und zur Beurteilung des Verhaltens müssen möglichst alle zu beobachtenden körperlichen Aktivitäten betrachtet werden. Je nach Komplexität der Verhaltensweise ergibt sich eine unglaubliche Vielzahl an körperlichen Merkmalen und Veränderungen. Versuchen Sie es einmal am Beispiel Schritt: Wie bewegen sich ganz genau die einzelnen Gliedmaßen? Was macht der Rest des Körpers? Haben Sie wirklich jeden Körperteil bedacht, sämtliche Muskeln und die Hautoberfläche? Welche Atemfrequenz ist zu beobachten? Wie ist der Augenausdruck? Daneben können wir auch noch das vermutliche Ziel der Handlungen des Pferdes beschreiben. Wohin geht es? Was drückt sein Gesicht aus? Hier kommen interpretierende Elemente ins Spiel. Doch gerade die Frage nach dem Warum ist eine der zentralen Fragen in der Verhaltensforschung, und sie lässt sich auf ganz verschiedenen Ebenen beantworten.
     

    Wenn wir Pferde auf der Weide beobachten, können wir die Vielfalt ihrer Verhaltensmöglichkeiten kennen lernen – wir müssen nur genau hinschauen.
Tinbergens Fragen nach dem Warum
    Tinbergens Fragen nach dem Warum
    Nikolaas Tinbergen gilt als einer der wichtigsten Verhaltensforscher des 20. Jahrhunderts und wurde 1973 zusammen mit Konrad Lorenz und Karl von Frisch mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Tinbergen entwickelte die maßgebliche Theorie der modernen Verhaltensbiologie, die unter der Bezeichnung „Tinbergens Fragen„ bekannt wurde und bei der es um die Fragen nach der Verursachung, der Funktion, der individuellen Entwicklung sowie der stammesgeschichtlichen Entwicklung eines bestimmten Verhaltens geht. Gemäß dieser elementaren Theorie gibt es für jede Frage, die wir an das Verhalten eines Pferdes stellen, vier grundsätzlich gleichwertige Antwortebenen.
    Nehmen wir als Beispiel ein schreckhaftes Pferd und beantworten Tinbergens Fragen:
    •  Die Frage nach der Verursachung: Zunächst kann man diese Frage auf der Ebene der direkten, aktuellen Ursache beantworten. Ein Pferd erschreckt sich, weil es über sensible Sinnesorgane verfügt, die sehr schnell Nervenimpulse zum Gehirn schicken können und zu einer direkten Reaktion führen.
    •  Die Frage nach der Funktion: Das Erschrecken bringt unserem Pferd aktuell einen Überlebensvorteil. Es ist in der Lage, auf mögliche Gefahren sofort zu reagieren und durch Flucht das eigene Leben zu schützen. Das Erschrecken erfüllt somit eine überlebenswichtige Funktion in der ursprünglichen Umwelt des Pferdes.
    •  Die Frage nach der individuellen Entwicklung: Jedes Pferd hat die wichtige Fähigkeit des Erschreckens in seiner individuellen Entwicklungsgeschichte, also seiner Lebensgeschichte, bei der Mutter und anderen Herdenmitgliedern beobachtet und diese Verhaltensweise im sehr individuellen Umfang ausgeprägt.
    •  Die Frage nach der stammesgeschichtlichen Entwicklung: Darüber hinaus hat sich in der stammesgeschichtlichen Entwicklung der Pferde das Erschrecken als elementare Verhaltensweise herausgestellt. In Millionen von Jahren haben sich die Vorfahren unserer heutigen Pferde durch dieses Verhaltensmuster erfolgreich gegen gefährliche Raubtiere behauptet. Unsere heutigen Pferde sind also die direkten Nachkommen von äußerst schreckhaften Vierbeinern, die aufgrund genau dieser Verhaltensstruktur ihren Fortbestand sichern konnten. Das sollten wir immer im Hinterkopf behalten, wenn wir uns über das übertriebene Scheuen unserer Pferde ärgern oder lustig machen.
Instinkte bei Pferden?
    Instinkte bei Pferden?
    Wörtlich übersetzen kann man den Begriff „Instinkt„ mit „Naturtrieb“. Ein Instinkt bezeichnet die inneren, unbekannten Antriebe des vom Beobachter wahrnehmbaren Verhaltens eines Tieres. Umgangssprachlich bezeichnen wir ein Verhalten als „instinktiv“, wenn wir spontan aus dem Bauch heraus, ohne bewusste Überlegungen, gehandelt haben. Viele Jahre gingen die Verhaltensforscher von der sogenannten Instinkttheorie aus: Eine Instinktbewegung sollte das Ergebnis einer spontan ansteigenden inneren Handlungsbereitschaft eines Tieres sein, die durch einen Schlüsselreiz ausgelöst wird, wenn sie eine spezifische Reizschwelle überwunden hat. Im weitesten Sinne versteht man unter Instinktverhalten das angeborene, pferdetypische Verhalten eines Pferdes. Nach heutigem Wissensstand gilt diese Sichtweise als überholt, da diese einfachen Grundannahmen den neuen neurobiologischen Erklärungsmodellen nicht mehr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher