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Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Titel: Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)
Autoren: James N. Frey
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in die Stadt kommt?)
    • »Oh!« rief Jenny, »du hast mir ein Geschenk gekauft!« (Frage: Was ist das für ein Geschenk?)
    Solche Fragen zum Verlauf der Geschichte aufzuwerfen ist das einfachste und direkteste Mittel, Spannung zu erzeugen.
    Allerdings werden diese Fragen, sofern sie nicht wichtige Fragen, sozusagen Fragen auf Leben und Tod sind und nicht immer wieder neu gestellt und weiterentwickelt werden, den Leser nicht lange bei der Stange halten. Wenn sie am Anfang der Geschichte auftauchen, be- zeichnet man sie als Köder, weil sie den Leser »ködern« sollen weiterzulesen.
    Köder sind oft kurzfristige Fragen, die schon bald in der Geschichte beantwortet werden, es können aber auch langfristige Fragen sein, die erst am Ende der Geschichte beantwortet werden. Erinnern Sie sich noch an die alten Western, in denen der Held bis Sonnenuntergang Zeit hat, seine Mission zu erfüllen? Dort muß der Zuschauer bis zum Ende des Films warten,

um zu erfahren, ob der Held es schafft.
    Fragen zum Verlauf der Geschichte, auch Reize genannt, sind ein Mittel, die Aufmerksamkeit des Lesers zu erregen. Sie wecken seine Neugier und sein Interesse an der Geschichte. Doch diese Technik kann auch falsch angewandt werden. In Technique in Fiction (1987) weisen Macaulay und Lanning darauf hin, daß »ein Autor genau unterscheiden muß zwischen einem Anfang, der zwar die Aufmerksamkeit des Lesers erregt, doch schon bald ziemlich irrelevant für die Geschichte wird, und einem Anfang, der den Leser so richtig in die Geschichte hineinzieht… einen spannenden, dramatischen Anfang kann man durchaus machen, aber er muß durch die nachfolgende Geschichte absolut gerechtfertigt sein.« Mit anderen Worten, seien Sie fair zu Ihrem Leser. Sorgen Sie dafür, daß die Fragen, die Sie aufwerfen, für die Figuren und deren Situation relevant sind.
    Anfänger beginnen oft eine Geschichte, ohne irgendeine Frage aufzuwerfen. Hier sind einige Beispiele für Eröffnungspassagen, wie sie häufig von Anfängern geschrieben werden:
    • Gingers Schlafzimmer hatte gestreifte Tapete an den Wänden, und am Fenster stand ein Schreibtisch. (Aufgeworfene Fragen: keine.)
    • In Ocean City war abends nicht viel los. Deshalb beschloß Oswald, früh ins Bett zu gehen und eine Anleitung zum Basteln von Papierflugzeugen zu lesen. (Das ist ein negatives Beispiel für eine Eröffnungsfrage; der Leser hat keine Lust weiterzulesen, weil er sich nicht langweilen möchte.)
    • Der alte Ford rostete an allen Enden, und die Roßhaarsitze stanken wie ein altes Paar Turnschuhe. (Wieder wird keine Frage aufgeworfen - reine Beschreibung.)
    • Ihre Lehrerin war die ganze Zeit absolut biestig gewesen, deshalb war Maggie froh, als die Sommerferien anfingen. (Das Problem mit der biestigen Lehrerin löst sich gerade. Also stellt sich beim Leser nicht die Frage, was als nächstes passieren wird.)
    • Der warme Seewind wehte durch das offene Fenster, und der Mond stand wie eine goldene Kugel über den Santa Cruz Mountains. (Klingt zwar schon nach einem Roman, wird aber den Leser nicht ködern.)
    Derartige Eröffnungen verdammen häufig eine Geschichte, selbst eine gute, zum Scheitern, weil Verleger und Leser nicht lange bei der Stange bleiben, wenn ihr Interesse nicht geweckt wird.
    Hier ist ein Beispiel aus einem veröffentlichten Roman, in dem Fragen zum Verlauf der Geschichte aufgeworfen werden:
    Eines Tages, anfangs Oktober 1815, kam etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang ein Fußwanderer im Städtchen Digne an. Die wenigen Einwohner, die eben an den Fenstern oder auf der Schwelle ihrer Häuser waren, blickten diesem Reisenden etwas beunruhigt nach.
    Das ist der Anfang des zweiten Buches von Victor Hugos Die Elenden. Der erste Satz wirft die Frage auf: Wer ist dieser Mann? Der zweite Satz modifiziert sie, indem er den Mann ein wenig unheimlich erscheinen läßt, was die Spannung steigert. Die Neugier des Lesers ist zweifellos geweckt.
    Die meisten Ratgeber für das Schreiben von Erzähltexten behaupten, daß Autoren von Kurzgeschichten ihre Leser so schnell wie möglich ködern sollten, am besten in den ersten drei Absätzen, während der Romanschriftsteller mehr Spielraum habe. Doch das ist eine wei- tere unsinnige Pseudoregel. Sowohl der Autor von Kurzgeschichten als auch der Romanschriftsteller sollten so bald wie möglich eine Frage zum Verlauf der Geschichte aufwerfen. Das geschieht normalerweise im ersten oder zweiten Satz.
    Hier sind einige Beispiele:

• Der große
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