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Wie ich mir das Glück vorstelle

Wie ich mir das Glück vorstelle

Titel: Wie ich mir das Glück vorstelle
Autoren: Martin Kordić
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wirft und jault oder wenn der sich eben noch schnell über einen Sandhügel schmeißt und gleich zurückschießt. Dann weißt du, dass es höchstens ein Streifschuss ist. Der Feind entscheidet selbst, ob du ihn triffst oder nicht. Keiner kann das Spiel verlieren.
    Alle rennen rum und rufen: Ta-ta!
    Mit der Rückenspinne bin ich interessant für die anderen Kinder. Ich bin der einzige Scharfschütze in der Gruppe, weil ich nicht so gut rennen kann. Ich sitze irgendwo in einem von den Häusern und schieße aus dem Fenster raus auf die anderen. Wenn es still ist und ich für längere Zeit keinen mehr sehen kann, weiß ich, dass hinter mir gleich die Tür aufspringt und meine Brüder mich mit Hunderten von Schüssen töten. Bis nichts mehr von mir übrig ist. Die Schüsse prasseln von überall auf mich nieder. Ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta. Ich liege auf dem Boden und mein Körper zuckt von den Schüssen immer wieder auf.
    In meinem Gesicht brennt es. Die Sonne bohrt sich in die Haut. Es ist trocken und staubig hier. Ich gehe auf einem schmalen Pfad mitten durch ein Tabakfeld. Da hat sich lange keiner drum gekümmert und die Schnecken fressen alles auf. Alles, was ich hören kann, ist das Geheule von den Grillen. Es ist, wie wenn ich mit den Tieren ganz allein bin auf der Welt. Aber dann lenkt mich das Geräusch von schnellen Schritten ab, die mich verfolgen. Immer wieder bleibe ich stehen und gucke mich um. Da ist keiner. Bis plötzlich ein paar Meter vor mir ein Hund zwischen den Tabakstangen rausschießt und den Pfad versperrt. Der Hund ist nicht sehr groß und hat glattes braunes Fell. Mit seinen Augen stimmt was nicht. Die Zunge hängt ihm seitlich aus dem Maul raus. Ich mache einen Schritt auf ihn zu, aber der duckt sich weg und macht ein paar Schritte zurück. Ich bleibe stehen und der bleibt auch stehen. Mit einem Mal knurrt der Hund laut auf und rennt vor mir weg, wie wenn es jetzt wirklich um Leben und Tod geht. Dabei will ich ihn ja bloß anfassen. Ich kann nur noch den Staub sehen, den er mit seinen Pfoten aufwirbelt. Und dann sehe ich eine Schlange. Die Schlange kriecht zwischen meinen Beinen vor. Ich weiß auch nicht, wie ich die so schnell töten soll. Bei Schlangen kann sich keiner sicher sein, was die als Nächstes machen.
    In unserer Gemeinschaft stirbt eine Ziege. Keiner kann sich das erklären. Bis ich einmal beobachte, wie sich eine Schlange an die Euter von einer Ziege hängt und die Milch absaugt. Die Schlange schleicht sich davon. Die Ziege fällt tot um. Ich schreibe das gleich in das Heft rein, das ich führen muss. Ich schreibe: Die Schlange trinkt unsere Milch, die Ziege stirbt.
    Ich gehe in das große Haus und suche eine Schwester und mache eine Meldung. In den nächsten Tagen bekomme ich eine Spezialaufgabe. Ich stelle einen Bottich vor den Stall von den Ziegen. Ich darf Milch mit einer Flasche Spiritus vermischen. Ich warte, dass die Schlange wiederkommt und unsere Ziegen töten will. Ich sitze am Brunnen und gucke den ganzen Tag dahin. Irgendwie verpasse ich es dann aber, als die Schlange ankommt. Später gehe ich zum Bottich und will alles kontrollieren, und da sehe ich, dass die Schlange schon tot in der Milch liegt. Ich schreibe das auf. Ich schleppe den Bottich ins große Haus zu einer Schwester.
    Ich laufe schnell dem Hund hinterher. Aber das geht nicht so gut. Schon gar nicht mit dem Paket, das ich mit beiden Händen festhalten muss. Ich drehe mich nicht mehr um. Ich hoffe, dass die Schlange längst wieder ins Feld abbiegt. Ich mache keine Pause und laufe immer weiter und komme ins Schwitzen.
    Links vom Tabakfeld sind jetzt ein paar Hügel und da sind viele Steine und Gestrüpp. Immer wenn bald Ostern ist, gehen die Schwestern mit uns zu solchen Stellen, weil dort dann für ein paar Tage wilder Spargel wächst. Jeder bekommt eine Plastiktüte und muss den wilden Spargel suchen. Das ist nicht leicht. Weil der wilde Spargel hat die gleiche Farbe wie die Steine und das Gestrüpp, und wenn du nicht richtig aufpasst, gehst du an einer ganzen Menge von dem wilden Spargel vorbei, und dann kommt ein anderer und pflückt alles ab und die Tüte ist schon voll und du selbst bist der Blöde.
    Ich gehe den Hügel rauf und bleibe nur kurz in einer Distel hängen. Als ich ganz oben stehe und runtergucke, sehe ich unter mir eine Schlucht und viele Felsen und einen kleinen See. Und da ist ein Wasserfall. Drei Menschen baden in dem See und sogar ein Kanu schwimmt darin rum. Ich rolle das
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