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Wie ich mir das Glück vorstelle

Wie ich mir das Glück vorstelle

Titel: Wie ich mir das Glück vorstelle
Autoren: Martin Kordić
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sagen: Wenn Gefahr besteht, rücken die Menschen zusammen, o Maria.
    Die Tante macht einen Tee. Es ist ein Tee, der die Mutter lähmen soll. In einen Topf wirft die Tante verschiedene Kräuter, die die Oma schon Wochen vorher einer Alten vor der Kapelle im Dorf der Verrückten abkauft. Als der Tee fertig ist, nimmt die Tante einen Strohhalm. Sie beugt sich über den Ofen und den Topf und zieht den Tee in ihren Mund rein, ohne runterzuschlucken. Der Onkel packt die Mutter an den Schultern und drückt sie fest in die Rückbank von dem Bus. Die Tante versucht der Mutter den Strohhalm in den Mund zu stecken, damit sie ihr den Tee in den Körper pusten kann. Es ist ein lautes Würgen, bis der ganze Topf mit dem Tee im Körper von der Mutter ist und ihre Muskeln schlaff sind. Aber es dauert jetzt tatsächlich nicht mehr lange, bis sich zwischen den Beinen von der Mutter was tut. Die Oma betet den Rosenkranz. Sie sitzt zwischen den Beinen von der Mutter und ist die erste, die mich kommen sieht.
    Alle denken: Das ist der Kopf von dem neuen Kind!
    Nur die Oma sieht schon, dass das die Schulter von dem Jungen ist. Wenn ich mich jetzt vorwärtsbewege, breche ich mir das Genick. Die Tante nimmt den Topf vom Ofen und schlägt ihn der Mutter auf den Kopf. Die Mutter hört auf zu pressen.
    Die Oma sagt: Bringt mir die Messer aus dem Stall.
    Was die Oma jetzt gleich macht, macht noch nie einer im Dorf der Glücklichen. Das ist auch der Grund, warum sich alle diese Geschichte später weitererzählen. Bei der Geburt gestorben sind schon viele. So zur Welt gekommen wie ich ist keiner.
    Mitten in dieser Vollmondnacht stapft der Onkel also durch den Schnee über den Hof zum Kuhstall. In einem kleinen Verschlag räuchert der Schinken. Er nimmt die zweizackige Schinkengabel und das Messer, das die Oma benutzt, wenn sie Lämmern die Kehle durchschneidet. Die Oma legt den Rosenkranz aus der Hand. Die Oma kniet jetzt direkt zwischen den Beinen von der Mutter und beobachtet jede Bewegung von meiner Schulter. In die linke Hand nimmt die Oma die Schinkengabel, in der rechten Hand hält sie das Messer. Zuerst setzt sie die Schinkengabel an, schiebt sie unter meine Schulter und zieht die Haut zwischen den Beinen von meiner Mutter nach unten. Sie setzt das Messer exakt zwischen die Zacken von der Gabel, holt tief Luft, zieht blitzschnell die Schinkengabel unter meiner Schulter vor und drückt gleichzeitig das Messer mit aller Kraft tief Richtung Po durch.
    Alle sind ganz still vor Schreck. Vor allem die Kinder, weil die zum ersten Mal im Leben so viel Blut sehen. Und die Mutter, weil die jetzt fast tot ist. Nur die Kuh stöhnt laut auf, als die Oma das Kind an ihr vorbei zum Ofen trägt. Da putzt die Oma das in einem großen Topf mit lauwarmem Schneewasser sauber. Das Kind schreit. Und spätestens jetzt sehen es auch alle. Das Kind ist ganz schief. An seinem Unterkörper hängt ein Penis. Weil die Mutter nur einen Mädchennamen für das Kind hat, und die jetzt aber halbtot auf der Sitzbank liegt, beschließt die Oma, das Kind nach der Stadt zu benennen, in die der Onkel zieht, als der die Rückbank aus dem Bus ausbaut und in die Küche stellt: Viktor, die Stadt des Goldes und der Goldsucher in Amerika.
DER LETZTE TAG
    Das erste, was er sieht, als er seine Augen öffnet, ist eine Möwe. Sie steht direkt über ihm im Wind und bewegt sich keinen Meter vorwärts. Wo sie die Beine hingetan hat, kann der Junge nicht erkennen. Ihr Bauch ist wunderschön. Er würde ihn gerne berühren. Aber dann lässt sich die Möwe fallen, verschwindet aus seinem Blickfeld, und der Junge kann unendlich weit in den Weltraum schauen.
TANGO
    Jetzt, als ich ganz allein auf der Straße gehe und Bubkas kleiner Laden weit hinter mir liegt, muss ich an unser Ta-ta-Spiel denken. Alles, was ich nun bei mir habe, sind die Sachen, die Bubka für mich versteckt und die sowieso mir gehören, mehrere Plastiktüten voller Geld, von dem ich nicht wirklich weiß, was es überhaupt wert ist, und ein paar Flaschen Fanta. Bald schon ist die Fanta so strullwarm wie die Suppe, die die Schwestern in der Gemeinschaft für uns kochen.
    Ta-ta ist das Lieblingsspiel von den Kindern in der Gemeinschaft. Das ist das Geräusch, das ein Revolver macht, wenn du zweimal hintereinander abdrückst. Ta-ta, ta-ta. Ich kenne kein Spiel, das gerechter ist.
    Du formst die Hand zu einem Revolver, zielst auf einen anderen und sagst: Ta-ta.
    Ob du triffst oder nicht, weißt du, wenn der andere sich auf den Boden
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