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Wie ich mir das Glück vorstelle

Wie ich mir das Glück vorstelle

Titel: Wie ich mir das Glück vorstelle
Autoren: Martin Kordić
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Weihnachtsmann das erste Geschenk aus dem Sack und gibt es dem schönen Kind.
    Die Mutter tackert die Blätter zusammen. Die Geschichte ist fertig. Auf die Rückseite von dem Buch schreibe ich den Namen und das Alter. Ich schreibe:
    VIKTOR 4 JAHRE
    Und ich will unbedingt, dass die Mutter noch hinschreibt:
    ENDE
    Am nächsten Tag lasse ich mir von den Frauen in der Bibliothek mein Buch vorlesen. Es sind keine Fehler drin. Die Mutter schreibt alles richtig auf.
    Ich sage zu den Frauen: Verleihen Sie bitte das Buch.
    Die Frauen kleben einen Ausleihzettel auf das Buch und stellen es zu den Bilderbüchern. Wenn jetzt einer zu den Bilderbüchern geht und da rumgucken will, sieht der sofort mein Buch.
    Die Mutter holt mich nach dem Einkaufen wieder ab und wir gehen nach Hause. Der Bruder ist noch in der Schule. In der Küche steht die Balkontür offen. Die Mutter telefoniert. Das Telefon steht im Flur. Es ist grün und groß. Ich gehe auf den Balkon. Da ist jetzt ein Sichtschutz. Ich kann nichts sehen. Ich versuche über den Sichtschutz zu gucken. Aber da sind auch noch die Blumenkästen. Vor ein paar Tagen helfe ich der Mutter, als sie Erde und Samen in die Blumenkästen macht. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen. Ich halte mich oben am Geländer fest und ziehe ein Bein hoch. Ich steige auf die Blumenkästen drauf.
    Die Mutter ruft: Der Viktor springt vom Balkon!
    Ich höre, wie die Mutter das Telefon aus der Hand wirft und auf mich zugerannt kommt. Mir ist schwindelig. Wir wohnen sehr hoch. Wenn du eine Murmel runterwirfst, ist die kaputt. Das probiere ich ein paar Mal schon aus. Die Mutter bringt mich ins Kinderzimmer. Die Mutter schließt die Tür ab. Der Bruder kommt aus der Schule und passt auf mich auf. Er spielt mir Musikkassetten vor. Wir tanzen.
    Nachts liege ich wach im Bett. Es ist dunkel. Der Regen schlägt gegen das Fenster. Ich höre, wie der Bruder atmet. Ich halte die Luft an. Ich zähle die Lämmer aus dem Dorf der Glücklichen. Bei dreitausendeinhundertvierundvierzig höre ich auf. Ein Gewitter ist über den Baracken. So viele Lämmer gibt es da gar nicht. Ich klettere über die Gitterstäbe von meinem Bett und lege mich zum Bruder. Ich stelle mir vor, wie einer in die Bibliothek geht und das Buch ausleiht. Ich mache die Augen zu.
DER EINBEINIGE DSCHIB
    Das ist ein Donnerschlag. Ich bin wach. Aber dann fällt mir auf, dass es gar nicht mehr regnet und dass das kein Gewitter ist. Das ist der Knall von einer Explosion. Es ist schwer, wieder aus dem Panzer rauszuklettern. Die Rückenspinne gibt mir Schutz. Aber ich muss aufpassen, dass ich mir nicht die Hände und die Knie aufschneide. Überall guckt verrostetes Metall raus. Ich springe von dem Panzer runter und stehe wieder unter dem Jesuskreuz. Die Stadt der Brücken liegt unter mir im Tal, aber ich kann die nicht sehen. Überall ist Nebel. Fast bis hier hoch. Von der Explosion kann ich auch nichts sehen. Ich will nach dem Hund rufen, aber ich kenne den Namen nicht.
    Ich rufe: Hallo!
    Aus dem Tal höre ich nur ganz leise das Gebimmel von einer Kirche und das Rufen zum Gebet von den Mudschis. Ich setze mich wieder auf den Boden. Ich warte auf das Tier.
    Wenn der Wind gut steht, können wir in der Gemeinschaft von den Söhnen Marias hören, ob die in der Stadt der Brücken kämpfen. Manche von uns können sogar am Knall erkennen, ob die Granaten auf unsere Seite fallen oder ob wir die Granaten auf die anderen schmeißen.
    Vor mir liegt das Paket. Es ist nass. Ich nehme es nicht mit in den Panzer. Einer hat es umgestoßen. Die Fantaflaschen und das Geld liegen auf dem Boden rum. Die Teigschnecken sind weg. Ich mache eine Fanta auf und gucke mir das Geld an. Eine von den Plastiktüten ist aufgerissen. Die Scheine darin sind verklumpt und keiner kann die mehr benutzen. Die anderen sind trocken. Das Foto ist nass und das Radio auch. Ich trockne beides an dem Unterhemd ab. Ich gucke in das Tal und warte auf den Hund. Die Sonne kommt jetzt über den Berg und der Nebel ist schon etwas tiefer. Ich schiebe das Paket in die Sonne. Ich selbst setze mich in den Schatten. Ich setze mich unter das Schussrohr von dem Panzer. Ich mache das Radio an. Es funktioniert noch. Ich hänge mir die Schlaufe um den Hals und jetzt baumelt die Musik auf meiner Brust. Es kommt ein Lied von Queen. Das ist die Lieblingsband vom Bruder und ich kann das Lied mitsingen. Dabei höre ich das schon lang nicht mehr. Ich warte auf den Hund. Aber der kommt nicht.
    Also klettere ich den Berg
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