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Wie ich mir das Glück vorstelle

Wie ich mir das Glück vorstelle

Titel: Wie ich mir das Glück vorstelle
Autoren: Martin Kordić
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Wochenende da. Ich will in der Küche sitzen, wenn die Mutter allein zu Hause ist.
    Ich sage: Ich gehe nicht mehr ins Gärtchen, ich will in der Küche sitzen und dir zugucken.
    Die Mutter sagt: Ich gehe einkaufen, ich wasche Wäsche, ich koche das Essen. Du wirst den anderen Kindern fehlen.
    Ich sage: Nein.
    Die Mutter gibt mir einen Stapel weißes Papier und Filzstifte von dem Bruder. Ich schaue der Mutter zu. Die Mutter wäscht ab und macht Gulasch.
    Sie sagt: Du sollst malen, Viktor. Du zeigst mir später, was du gemalt hast, ja?
    Ich male die Mutter, wie sie Gulasch macht. Die Mutter schneidet Fleisch. Sie benutzt ein großes Messer. Ich bekomme gar nicht mit, wo die Mutter das Messer herholt. Ich gehe kurz strullen, und als ich zurückkomme, ist das Messer weg.
    Auch am nächsten Tag gehe ich nicht ins Gärtchen. Ich gehe überhaupt nie wieder ins Gärtchen. Wenn die Mutter einkaufen geht, nimmt sie mich mit. Es ist schwierig für mich, so schnell zu gehen wie die Mutter. Die Mutter nimmt mich an die Hand. Ich komme kaum hinterher. Wenn die mich loslässt, ist sie sofort weg. An der Kasse im Laden stecke ich eine Packung Kaugummis ein. Auf der Straße packe ich die Kaugummis aus.
    Ich sage: Ein Mann hat mir Kaugummis geschenkt.
    Die Mutter nimmt mich nicht mehr mit zum Einkaufen. Die Mutter bringt mich jetzt in eine Bibliothek. Die Frauen, die die Bücher einsortieren, passen auf mich auf. Die Mutter holt mich mit vollen Einkaufstüten wieder ab. Die Bibliothek ist im gleichen Haus wie die Schule, in die der Bruder jetzt geht. Vormittags sind nur alte Frauen da. Und ich. Die Schüler sitzen in den Klassenzimmern und lernen. Die Frauen in der Bibliothek zeigen mir, wo die Bücher stehen, die ich mag. Ich lese Comics. Du musst die Buchstaben nicht können, damit du Comics lesen kannst. Es gibt Comics von einem Jungen, der sehr stark ist. Wenn der einen Stein wegkickt, fliegt der bis auf die andere Straßenseite und verletzt andere Menschen. Der Junge will aber gar nicht so stark sein. Ich lese die Comics oft durch und ich denke, dass wir gute Freunde sind.
    Ich sage zu den Frauen: Lesen Sie mir bitte Bücher vor.
    Die Frauen lesen mir Bücher vor. Ich höre zu. Sie lesen mir die Geschichte von dem Jungen vor, der ein Buch liest und in der Geschichte verschwindet, die er gerade liest. Der Junge findet nicht mehr zurück in sein echtes Leben. Ich merke mir, wie die Sätze von der Geschichte sind und an welcher Stelle die Frauen die Seiten umblättern. Die Frauen glauben mir nicht, dass ich mir das alles merke. Ich mache das aber. Als die Mutter mich abholt, sitze ich an einem Tisch. Ich schlage das Buch auf der ersten Seite mit viel Text auf und lese die Geschichte vor. An der Stelle, an der die Frauen umblättern, blättere auch ich um. Ich lese weiter. Die Frauen klatschen.
    Wir leihen Bücher aus. Die Mutter liest mir Bücher vor. Ich lese den Nachbarn Bücher vor.
    Alle sagen: Der Kretin kann lesen, Viktor kann lesen!
    Also schreibe ich selbst ein Buch. Ich male sechs Bilder und denke mir dazu eine Geschichte aus. Ich diktiere der Mutter die Geschichte. Das Buch heißt: Das ist die Geschichte vom Weihnachtsmann. Auf dem ersten Bild siehst du einen Weihnachtsmann und die Mutter muss den Titel drüberschreiben.
    Die Mutter sagt: Es ist Sommer. Warum willst du ein Weihnachtsbuch schreiben?
    Ich sage: Ich will über das schreiben, was ich gut kenne.
    Auf dem zweiten Bild sind eine Wiese, eine Sonne und der Weihnachtsmann.
    Ich diktiere der Mutter: Der Weihnachtsmann geht morgens los, als die Sonne scheint. Er nimmt den großen Sack mit den Geschenken mit.
    Daneben muss die Mutter eine 1 hinschreiben. Das ist die erste Seite von dem Buch. Auf dem zweiten Bild ist es dunkel und der Weihnachtsmann liegt auf der Wiese.
    Ich diktiere der Mutter: Der Weihnachtsmann übernachtet mit seinem großen vielen Gepäck.
    Daneben muss die Mutter eine 2 schreiben. Dann kommt ein Bild mit einem Haus, das auch noch auf der Wiese ist. Der Weihnachtsmann steht vor dem Haus.
    Ich diktiere: Als der Weihnachtsmann wieder aufsteht, sieht er ein Haus. Dort geht er hin.
    Auf der vierten Seite kannst du durch das Fenster sehen, dass der Weihnachtsmann schon im Haus steht.
    Ich diktiere: Da geht der Weihnachtsmann in das große große Haus.
    Auf dem letzten Bild ist nur das Haus und durch die Fenster kannst du jetzt sehen, dass ein Kind ganz allein in dem Haus wohnt. Das Kind wartet schon auf den Weihnachtsmann.
    Ich diktiere: Da holt der
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