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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt?
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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wir unsere Vorfahren mit allen Lebewesen auf Erden gemeinsam haben, und ist von unmittelbarer Bedeutung für den Kern des gesamten Unternehmens mit Namen Wissenschaft.
    Kurz nachdem die griechischen Physiker der Antike erstmals naturalistische Erklärungen für die Natur entwickelt hatten, erhob sich ein allgemeiner Einwand. Sehr gut wurde er von Platon – beispielsweise im
Phaidon
 – formuliert, insbesondere aber von Aristoteles in seiner Theorie der »Ursachen«. Naturalistische Erklärungen beruhen auf der »Wirkursache«, wie Aristoteles sie nannte – frühere Phänomene erzeugen Wirkungen. Die Welt scheint aber von Phänomenen beherrscht zu werden, die man unter dem Gesichtspunkt der »Zweckursachen« verstehen kann, das heißt unter dem Gesichtspunkt eines »Ziels« oder »Zwecks«. Dies zeigt sich im Reich des Lebendigen. Wir haben einen Mund, »damit« wir essen können. Die Bedeutung dieses Einwandes sollte man nicht unterschätzen. Er richtete den antiken Naturalismus zugrunde und ist für viele Menschen bis heute die wichtigste Ursache psychologischer Widerstände gegen ein naturalistisches Weltverständnis.
    Darwin entdeckte den spektakulär einfachen Mechanismus, durch den Wirkursachen Phänomene hervorbringen, die von Zweckursachen bestimmt zu sein scheinen. Jedes Mal, wenn wir ein Phänomen vor uns haben, das sich fortpflanzen kann, sind die tatsächlichen, beobachteten Phänomene diejenigen, die sich weiterhin fortpflanzen und deshalb zwangsläufig besser fortpflanzungsfähig sind; wir können sie also unter dem Gesichtspunkt einer Zweckursache interpretieren. Mit anderen Worten: Eine Zweckursache kann ein Verständnis der Welt ermöglichen, weil sie eine Abkürzung bildet, wenn wir die frühere Geschichte eines fortdauernden Phänomens erklären wollen.
    Natürlich war diese Idee auch zuvor schon aufgetaucht. Empedokles spekulierte, die scheinbare Zielgerichtetheit der Lebewesen könne die Folge ausgewählter Zufälle sein, und Aristoteles selbst erwähnt in seiner
Physik
eine Version dieses Gedankens im Zusammenhang mit biologischen Arten (»Samen«). Aber die Zeit war noch nicht reif, und im nachfolgenden religiösen Zeitalter gingen die Vermutungen wieder verloren. Nach meiner Überzeugung handelt es sich bei dem Widerstand gegen Darwin nicht nur um Schwierigkeiten, die Leistungsfähigkeit einer spektakulär schönen Erklärung zu erkennen, sondern auch um die Angst vor der Erkenntnis, mit welch außergewöhnlicher Kraft eine solche Erklärung alte Weltanschauungen zerschmettern kann.

Aubrey de Grey
Der überfällige Untergang der Monogamie
    Gerontologe; wissenschaftlicher Leiter der SENS Foundation; Autor von Niemals alt!
    In der Evolutionsforschung gibt es viele überzeugende Argumente, mit denen man erklären kann, warum verschiedene biologische Arten und insbesondere der
Homo sapiens
sich eine Lebensweise zu eigen gemacht haben, bei der Männchen und Weibchen sich langfristig zusammentun. Um diese Erklärungen geht es mir hier aber nicht. Stattdessen möchte ich erklären, warum wir kurz vor dem größten gesellschaftlichen – im Gegensatz zum technischen – Fortschritt in der Geschichte der Zivilisation stehen – und warum er viel dichter bevorsteht, als die meisten Menschen und selbst die meisten Leser von
Edge
es bisher annehmen.
    Im Jahr 1971 prägte der amerikanische Philosoph John Rawls den Begriff des »Überlegungsgleichgewichts«. Damit meint er einen Zustand der Balance oder Kohärenz verschiedener Überzeugungen, zu dem man durch gezielte gegenseitige Abstimmung allgemeiner Prinzipien und einzelner Urteile gelangt. [3] Unter praktischen Gesichtspunkten geht es beim Überlegungsgleichgewicht um die Frage, wie wir logische Widersprüche in unserem moralischen Kompass erkennen und auflösen. Beispiele wie die Ablehnung der Sklaverei und unzähliger »Ismen« (Sexismus, Altersdiskriminierung usw.) sind ziemlich eindeutig: Am besten funktionieren hier Argumente, die darauf hinweisen, wie heuchlerisch es ist, die derzeitigen Einstellungen angesichts bereits übernommener, gegensätzlicher Haltungen in zweifelsfrei analogen Fragen beizubehalten.
    Das Überlegungsgleichgewicht erhält meine Stimme für die eleganteste und schönste Erklärung, denn es ist ungeheuer breit anwendbar und nicht von anderen umstrittenen Positionen abhängig. Am wichtigsten ist, dass es über die Frage des Kognitivismus, die Diskussion, ob es so etwas wie eine objektive Moral gibt, hinausgeht.
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