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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt?
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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kann man sich fragen, warum vor Darwin und Alfred Russel Wallace niemand darauf gekommen ist und warum es auch heute noch so vielen Menschen nicht gelingt, sie zu begreifen. Der Grund liegt nach meiner Auffassung darin, dass in ihrem Kern eine Tautologie vorzuliegen scheint. Wenn man sagt, »Dinge, die überleben, überleben« oder »erfolgreiche Ideen sind erfolgreich«, hat es den Anschein, als würde man überhaupt nichts sagen. Um solchen Tautologien zu ihrer Wirkung zu verhelfen, muss man den Zusammenhang hinzunehmen: eine begrenzte Welt, in der nicht alles überlebt und in der allenthalben Wettbewerb herrscht. Außerdem muss man sich klarmachen, dass diese Welt sich ständig wandelt und dass sich in ihr auch die Regeln des Wettbewerbs verschieben.
    In diesem Zusammenhang ist Erfolg etwas Flüchtiges, und jetzt kann der dreistufige Algorithmus die Tautologie in eine tiefgreifende, elegante Erklärung verwandeln. Kopiere die Überlebenden viele Male mit geringfügigen Abweichungen und lasse sie auf diese sich ständig wandelnde Welt los, dann werden diejenigen, die sich für die neuen Bedingungen eignen, erhalten bleiben. Die Welt füllt sich mit Geschöpfen, Ideen, Institutionen, Sprachen, Geschichten, Software und Maschinen, die unter den Belastungen des Wettbewerbs gestaltet wurden.
    Diese schöne Idee ist tatsächlich schwer zu begreifen; ich habe an den Universitäten viele Studierende kennengelernt, die Evolution an der Schule gelernt hatten und sie zu verstehen glaubten, sie aber nie wirklich begriffen hatten. Für mich gehörte es zum größten Vergnügen in der Lehre, wenn ich den erstaunten Ausdruck auf den Gesichtern der Studierenden sah, nachdem es ihnen plötzlich klargeworden war. Das war tatsächlich herzerwärmend. Als herzerwärmend bezeichne ich es aber noch aus einem anderen Grund: Wenn ich neben meinem Computer aus dem Fenster auf die Brücke über den Fluss sowie auf die Bäume und Kühe in der Ferne blicke, habe ich im Gegensatz zu manchen religiösen Menschen Freude an dem einfachen, eleganten Konkurrenzprozess, durch den sie alle ins Dasein getreten sind, und an meinem eigenen winzigen Platz in dem Ganzen.

Matt Ridley
Das Leben ist ein Digitalcode
    Wissenschaftsautor, Gründungsvorsitzender des International Centre for Life; Autor von Wenn Ideen Sex haben: wie Fortschritt entsteht und Wohlstand vermehrt wird
    Mich heute noch daran zu erinnern, wie rätselhaft mein Leben am Morgen des 28 . Februar war und wie sich dies bis zum Mittagessen geändert hatte, fällt mir schwer. Blickt man zurück auf die vielen Antworten, die zuvor auf die Frage »Was ist Leben?« gegeben wurden, erhält man einen Eindruck davon, wie unsere Spezies sich abgemüht hat. Leben bestand aus dreidimensionalen Gebilden mit Spezifität und Komplexität (vorwiegend Proteinen). Und es konnte sich präzise verdoppeln. Wie? Wie schafft man es, eine Kopie eines dreidimensionalen Objekts herzustellen? Wie lässt man es auf vorhersehbare Weise wachsen und sich entwickeln? Das ist die wissenschaftliche Frage, auf die niemand auch nur ansatzweise eine Antwort fand. Erwin Schrödinger unternahm einen Versuch, fiel aber in die Quantenmechanik zurück, die hier ohne Bedeutung ist. Zwar bediente er sich tatsächlich des Begriffs »aperiodischer Kristall«, und wenn man großzügig ist, kann man darin die Prophezeiung eines linearen Codes sehen, aber ich glaube, damit strapaziert man die Großzügigkeit zu stark.
    Noch verwirrender wurde das Problem durch die Erkenntnis, dass DNA eine entscheidende Rolle spielt – denn DNA ist von monotoner Einfachheit. Bis zum 28 . Februar 1953 waren alle Erklärungen über das Leben nur aufgeblasenes Geschwätz; was den Erkenntnisgewinn anging, hätte man ebenso gut von Protoplasma und Lebensfunken sprechen können.
    Dann kam die Doppelhelix, und mit ihr verstand man sofort, dass »eine Art Code«, wie Francis Crick es wenige Wochen später in einem Brief an seinen Sohn formulierte – ein digitaler, linearer, zweidimensionaler, kombinatorisch unendlicher und zur sofortigen Selbstverdoppelung fähiger Code –, alles war, was man als Erklärung brauchte. Damals, am 17 . März 1953 , schrieb Crick:
    Mein lieber Michael,
    Jim Watson und ich haben vermutlich eine höchst wichtige Entdeckung gemacht … Wir glauben jetzt, dass die DNA ein Code ist. Das heißt, die Reihenfolge der Basen (der Buchstaben) sorgt dafür, dass ein Gen anders ist als ein anderes (genau wie eine Druckseite sich von
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