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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt
Autoren: Peter Ackroyd
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Ireland, dem einzigen Urheber und Vertreiber dieses Schwindels.»
    Er schloss seinen Bericht mit einer allgemeinen Entschuldigung, in der es hieß: «Ich hatte nie die Absicht, jemandem zu schaden, was auch nicht geschah. Ich habe diese Papiere nicht aus pekuniärem Interesse angefertigt und auch nicht im Mindesten davon profitiert.» Und dann fügte er noch hinzu: «Da ich gerade erst mal siebzehneinhalb Jahre alt bin, hätte mich eigentlich meine Jugend in gewissem Maß vor der Niedertracht meiner Verfolger schützen müssen.»
    Eine Notiz im Morning Chronicle fasste die Reaktion der Öffentlichkeit auf dieses Machwerk passend zusammen: «W. H. Ireland hat sich öffentlich als Urheber jener Papiere offenbart, die er Shakespeare zugeschrieben hatte. Wenn das wahr ist, dann hat er bewiesen, dass er lügt.»
     
     
    Im Sommer 1804 erlitt Mary eine längere Angstattacke. Sie war bereits wieder mehrere Wochen in der geschlossenen Anstalt, da wandte sich Philip Girtin an Charles, der eben seine Schwester besucht hatte, und meinte: «Sie braucht unbedingt eine Beschäftigung. Etwas Unterhaltsames.»
    «Was schlagen Sie vor, Doktor Girtin?»
    «Sie hat mir erzählt, sie hätte einmal mit Ihnen und Ihren Freunden ein Stück eingeübt. Stimmt das?»
    «Gewiss. Wir waren mitten in den Proben vom Sommernachtstraum, da – da wurde sie krank.»
    «Könnten Sie das nicht noch einmal aufgreifen? Vielleicht vermittelt es ihr ein Gefühl für die – wie soll ich sagen? – Kontinuität des Lebens.»
    Also hatte Charles Tom Coates und Benjamin Milton überredet, mit ihm eine gekürzte Version des Rüpelspiels aufzuführen. Beide wollten nur ungern eine private Irrenanstalt betreten, aber Charles hatte betont, wie sauber, freundlich und ordentlich Philip Girtins Klinik sei. «Außerdem», sagte er, «bin ich überzeugt, dass dies Marys Chancen auf Heilung sehr förderlich sein wird.»
    Deshalb waren sie einverstanden, die Rollen von Pyramus und Thisbe zu übernehmen, während Charles in der Doppelrolle als Zettel und der Wand auftreten sollte. An einem schönen Sonntagnachmittag im späten Frühjahr zogen sie im angrenzenden Salon ihre Kostüme an und traten dann vor einer ausgewählten Gruppe von Girtins Patienten auf, die auf kleinen Stühlen im allgemeinen Speisesaal saßen. Mit Mary Lamb waren es ungefähr fünfzehn Zuschauer. Die Männer trugen alle schwarze Röcke, weiße Westen, schwarze Seidenhosen und Strümpfe. Frisch gepuderte und gelockte Haare unterstrichen ihr ungewöhnlich ordentliches Erscheinungsbild. Die Damen waren nicht weniger elegant gekleidet: gestickte Baumwollkleider, grüne Schultertücher und Spitzenhäubchen.
    Charles hatte beschlossen, das vergnügliche Theaterspiel abwechslungsreicher zu gestalten, indem er einige Passagen aus den Monologen von Theseus und Oberon aus demselben Stück einfügte. Bewusst unterschlug er dabei den folgenden Satz des Theseus:
     
    «Wahnwitzige, Poeten und Verliebte
    Bestehn aus Einbildung.»
     
    Alles schien gut zu gehen. Leider hatte das Publikum die Angewohnheit, während der komischen Szenen ganz ernst dazusitzen und bei den ernsteren Worten herzhaft zu lachen. Mary Lamb, die in der ersten Reihe saß, war offensichtlich von jeder Rolle begeistert. Besonders amüsierte sie sich über Benjamin Milton als Thisbe und lachte schallend, als er über dem toten Pyramus sein Klagelied anstimmte:
     
    «Ach! Tot ist er! O Not!
    Dein Lilienmund,
    Dein Auge rund.
    Wie Schnittlauch frisch und grün;
    Dein’ Kirschennas,
    Dein ’ Wangen bloß,
    Die wie ein Goldlack blühn,
    Soll nun ein Stein Bedecken fein?»
     
    Erst als ihr Bruder in der Rolle des Oberon vortrat und seinen Schlussmonolog begann, wurde sie unruhig:
     
    «Komm zum besten Brautbett hin,
    Daß es Heil durch uns gewinn!
    Das Geschlecht, entsprossen dort,
    Sei gesegnet immerfort.»
     
    Bei der Zeile «Ewiglich im Lieben treu» seufzte sie ganz laut und beugte sich plötzlich wie zum Gebet vor, doch baumelten ihre Arme seitlich herab.
    Wie sagte Tom Coates später? «Sie starb so still, wie sie gelebt hatte.» Als Todesursache wurde angegeben: «Störung der Blutgefäße.»
     
     
    William Ireland verabschiedete sich nicht aus der Welt der Literatur. Er veröffentlichte über siebenundsechzig Bücher, darunter Balladen im Stil der Alten Zeit sowie Das vergessene Genie. Ein Gedicht über das Schicksal vieler britischer Dichter, die unglückseligerweise vor der Zeit dem Vergessen anheimfielen. Mit verschiedenen
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