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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt
Autoren: Peter Ackroyd
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und blickte dabei mitunter zu den anderen Patienten auf.
    Charles zog in ein neues Haus in Islington, neben dem New River. Hier knüpfte Mary wieder an ein Leben in Freiheit an. Solange er seiner Tätigkeit im Sitz der Ostindien-Kompanie nachging, kümmerte sich Tizzys Nichte um sie. Tizzy hatte sich auf einem kleinen Anwesen in Devizes zur Ruhe gesetzt. Zuvor hatte sie noch strikt erklärt, sie könne Charles und Mary nicht fremden Händen überlassen. Mr Lamb war wenige Monate nach der Ermordung seiner Frau in völliger Umnachtung gestorben. «Und auch das ist wahr» waren seine letzten Worte, die er Charles zugemurmelt hatte.
    Mary war in der neuen Umgebung meistens ruhig, manchmal sogar heiter. Kurz nach ihrer Ankunft in Islington schrieb Charles an de Quincey:
     
    Mein armes liebstes Schwesterherz ist wieder ganz bei Sinnen, auch wenn ihr die Schrecken der vergangenen Ereignisse bewusst sind und sie sich wieder an alles erinnert. Trotzdem mildern fromme Ergebenheit in ihr Schicksal und Vernunft manches ab. Letztere ermöglicht es ihr, zwischen einer Tat, die in zeitweiser geistiger Umnachtung geschah, und entsetzlichen Schuldgefühlen wegen des Muttermords zu trennen.
     
    Wenn Charles abends aus der Leadenhall Street heimkehrte, saßen die Geschwister beisammen und plauderten über alles Mögliche. Nach und nach gingen sie dazu über, gemeinsam Erzählungen nach Shakespeare-Stücken zu schreiben. Später hätten sie nicht mehr sagen können, wer ursprünglich die Idee dazu gehabt hatte. Jeder versuchte, diese Ehre dem anderen zuzuschreiben. Erstaunlicherweise wurden diese Bücher ein Erfolg. Der erste Band, erschienen bei Liveright & Eider, wurde in den Westminster Words, im Gentleman ‘s Magazine und in den übrigen Journalen sehr positiv besprochen.
    Trotzdem gab es manchmal Situationen, in denen Mary nicht so gefasst war. Einmal hatte sie beispielsweise zu Charles gesagt: «Die Gedanken fallen einfach über mich her. Siehst du, wie sie im Zimmer herumschwirren?» Man konnte ihre verhängnisvolle Verzweiflung beinahe mit Händen greifen. An solchen Tagen begleitete Charles sie über die Felder zur privaten Irrenanstalt in Hoxton. Mary nahm dabei ihre Zwangsjacke mit und vertraute sich freiwillig Philip Girtin an. Nachdem de Quincey von einem solchen Vorfall erfahren hatte, hatte er an Charles geschrieben:
     
    In meinen Augen bist du ein Schmerzensmann, den Kummer und sonderbar trostlose Hoffnung in die Stille getrieben haben, eine einzigartige Seele, an der Gott sein Wohlgefallen hat.
     
    Das Feuer, das William Ireland an jenem schicksalsträchtigen Sonntag in der Buchhandlung gelegt hatte, hatte keine Opfer gefordert.
    «Es riecht nach Würstchen», hatte Rosa Ponting gemeint.
    «Nein, meine Liebe, nach Rauch.» Samuel war oben an die Treppe getreten und hatte die Flammen in der Buchhandlung gesehen. «Ach, du lieber Gott» war alles, was er herausbrachte. Er stürzte hinüber und packte Rosa.
    «Sammy, wohin sollen wir gehen? Was ist los?», fragte Rosa.
    «Raus. Hinauf.»
    Er schob sie aus dem Zimmer und zerrte sie die zwei Treppen zu ihrem Schlafzimmer hinauf, dessen Fenster auf den Balkon eines Nachbarhauses in der Holborn Passage hinausging.
    «Sammy, da kann ich mich nicht durchquetschen. Das geht wirklich nicht.»
    «Doch. Oder willst du wie Talg ausgelassen werden?»
    Er stieß mit Gewalt das Fenster auf, wobei der Rahmen zu Bruch ging. Und dann gelang es ihr irgendwie, sich durch die winzige Öffnung zu zwängen.
    Kurz nach ihrer Flucht stand das ganze Haus in Flammen.
     
     
    Die Shakespeare-Blätter waren vernichtet, genau wie es William beabsichtigt hatte. Kurz nach dem Brand hatte er seinem Vater, der mit Rosa nach Winchelsea gezogen war, einen Brief geschrieben, in dem er ihn um Verzeihung bat:
     
    Ich gestehe voller Reue, dass ich der Alleinschuldige bin, weil ich Dir die Manuskripte gegeben habe. Allerdings muss ich Dir gleichzeitig versichern, dass es ohne jede böse Absicht geschah und ohne auch den kleinsten Hintergedanken an die Folgen dieser Tat. Wie hast du mir so oft erklärt? «Die Wahrheit kommt immer ans Licht.» In diesem Sinne wirst auch Du, ungeachtet aller böswilligen Verunglimpfung Deiner Person, schon bald in den Augen der Welt ohne Fehl und Tadel erscheinen.
     
    Samuel Ireland antwortete seinem Sohn nie.
    Danach veröffentlichte William ein Groschenpamphlet mit dem Titel: «Die jüngsten Fälschungen in Sachen Shakespeare. Enthüllt und erläutert von Mr W. H.
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