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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt
Autoren: Peter Ackroyd
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fehlt mir jegliches Verständnis. Sie sind mir einfach zuwider.» Irelands blassgrüne Augen weiteten sich im Takt seines Tonfalls, und er verschränkte beim Sprechen die Hände, als würde er heftig mit sich ringen. «Mr Lamb, schätzen Sie Drayton?»
    «Ungemein.»
    «Dann dürfte Sie das hier interessieren.» Er holte einen sorgfältig in Kalbsleder gebundenen Quartband aus dem Regal. «Das hier ist Greenes Pandosto. Aber beachten Sie die Widmung.» Er schlug das Buch auf und reichte es Charles. Auf der Frontispizseite standen in mittlerweile verblichener Tinte die Worte: «Ein Geschenk von Will Sh. an mich. Mich. Drayton.»
    Charles wusste nur zu gut, dass Pandosto als Quelle für Das Wintermärchen gedient hatte. Und genau dieses Buch hatte Shakespeare in Händen gehalten, so wie er heute. Allein die wechselseitige Beziehung dieser Geste ließ ihm schier die Sinne schwinden.
    William Ireland musterte ihn eindringlich und zwang ihn förmlich zu einem Kommentar.
    «Hierbei handelt es sich um etwas höchst Bemerkenswertes.» Charles klappte das Buch zu und legte es vorsichtig auf den Ladentisch. «Wie sind Sie dazu gekommen?»
    «Es stammt aus einer herrschaftlichen Bibliothek. Der Besitzer verstarb letztes Jahr. Vater und ich sind nach Wiltshire gereist. Dort gab es Schätze, Mr Lamb, wahre Schätze.» Er stellte das Buch ins Regal und sagte dann, wobei er ihm den Rücken zukehrte: «Dieser Laden gehört meinem Vater.»
     
     
    Drei Wochen zuvor war William mit seinem Vater per Kutsche Richtung Salisbury gereist. Da sie ihre Fahrkarten erst zwei Tage vorher gelöst hatten, bat man sie als späte Mitreisende, auf den offenen Sitzplätzen hinter dem Kutscher und seinem Dreigespann Platz zu nehmen.
    «Nein, nein», hatte Samuel Ireland gemeint, «ich muss unbedingt im Wageninneren reisen. Diese Septemberkühle dringt durch Mark und Bein.»
    «Wie soll das gehen, Sir?» Der Kutscher beugte sich wie alle, die die Bekanntschaft des älteren Ireland machten, dessen herrischem Auftreten.
    «Ich werde dir sagen, wie das geht. Indem ich es tue.» Mr Ireland kletterte in die Kutsche und wandte sich dabei an seinen Sohn: «William, du kannst ruhig aufs Dach klettern. Das wird dir gut tun.» Er zog seinen Kastorhut, erwies der einzigen Dame im Gefährt ausführlich seine Reverenz, zwängte sich wie ein Korken, den man wieder in die Flasche schiebt, zwischen die beiden männlichen Mitreisenden und meinte dann abwechselnd zu ihnen: «Bitte um Verzeihung, Sir. Nur noch einen winzigen Zentimeter, wenn’s genehm ist. Bitte untertänigst um Entschuldigung.»
    Kaum hatte William Ireland die Leiter erklommen und sich auf einen Sitz gekauert, da rasselte die Kutsche auch schon den Cornhill und die Cheapside hinunter, auf St. Paul’s zu. Während die Pferde die Kathedrale passierten, richtete William seinen Blick nach oben. Seine Phantasie konnte weder die Konstruktionsprinzipien ermessen noch den heiteren Seelenzustand des Architekten, der sie ersonnen hatte. Die mächtige Kuppel war ihm zutiefst fremd.
    Über die Jahre hatte er sich an den Egoismus seines Vaters einigermaßen gewöhnt, auch wenn er dieses Wort nie benutzt hätte. Sein Vater war gebieterisch, herrisch und wortgewandt, aber doch nur ein Buchhändler, ein Krämer eben. Und darunter litt er ungemein, das wusste William. Die einzige Lebensgrundlage seines Vaters war die hohe Meinung, die er von sich selbst hatte. Sie machte ihm das Dasein erträglich.
    Am Ludgate Hill hatten sich mehrere Fahrzeuge ineinander verkeilt. Langsam kam die Postkutsche zum Stehen. William warf einen Blick zurück auf die Kuppel. Nie würde er etwas so Einzigartiges wie diese Kuppel erschaffen. Er war, was er war, weiter nichts. Während dieser kurzen Pause konnte er aus dem Wagen die Stimme seines Vaters hören, die sich über die Geräuschkulisse Londons legte. Er dozierte gerade über die Vorzüge von Trüffeln.
    In Bagshot hielt die Postkutsche an einem Wirtshaus, damit sich die im Freien sitzenden Reisenden aufwärmen konnten. William hockte neben dem kleinen Kohlefeuer in der Gaststube und umklammerte mit beiden Händen einen heißen Becher Porter. Bei ihm saß Beryl, eine Kammerzofe, die ihre Stelle verloren hatte und jetzt zu ihrer Familie aufs Land zurückfuhr. So viel hatte er bereits erfahren.
    «Mir geht es weniger um den Rauswurf», sagte sie, «sondern um die Art, wie ich weggejagt wurde.» Sie war zutiefst empört. «Hier hast du zwei Guineen, und jetzt raus.»
    William
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